Mit der Zeit
Fernsehmechaniker gab, die ihre Werkstätten in ehemaligen Läden hatten, ferner einen Möbeltischler, der sein Holz in einem ehemaligen Garten stapelte, und ein Fachgeschäft für Autoersatzteile in einer ehemaligen Mietstallung.
Es war eine Sackgasse. Hinter hohen Gittern stand dort am Ende ein finsteres altes Gebäude, auf dessen Stuckfassade immer noch die Umrisse der reich verzierten Buchstaben zu sehen waren, die dort einmal befestigt gewesen waren. ALBERGO DORIA sagten diese gespenstischen Spuren voll Rostflecken, senza ristorante . Wir hatten das sichere Haus erreicht.
In das Gitter waren zwei Tore eingelassen. Als wir über den Gehweg und in den Hof holperten, sah ich, daß an einem Hartholzbrett an einem der Tore eine Bronzetafel hing. Eine Inschrift erklärte feierlich, daß das nun eine Einrichtung der Pax-Stiftung war, das INTERLINGUA INSTITUTE OF COMMUNICATIONS. Es ließ die ganze Umgebung noch schäbiger aussehen.
»Was ist die Pax-Stiftung?« fragte ich. »Gibt es die wirklich?«
»Gewiß gibt es die. Sie wurde vor acht Jahren im Staat Delaware als gemeinnützige Einrichtung zugelassen. Sie unterstützt das Institut und vergibt jährliche Stipendien an Fremdsprachenlehrer aus den Entwicklungsländern, besonders aus Nordafrika. Der Stifter glaubt, daß der Unterricht in den modernen Sprachen, insbesondere denen des Westens, an erster Stelle stehen muß. Zuerst Sprachen. Wissenschaft und Technik haben es dann leichter, weil die betreffenden Bücher zugänglich werden.«
»Wenn Sie vom Stifter sprechen, meinen Sie Karlis Zander oder Dr. Luccio, nehm ich an.«
»Warum nicht? Daß die jungen Leute eine gute Ausbildung erhalten, ist ihm ein großes Anliegen. Er unterhält hier ein Büro, wie Sie gesehen haben.«
»Aber jetzt, da das Institut seine Pflicht als sicheres Haus tut, beherbergt es ja wohl keine künftigen Sprachlehrer.«
»Offenkundig nicht. Das ist ein weiterer Pluspunkt gegenüber dem Feind. Für die letzte Studentengruppe mußten wir anders disponieren. Es ist ein Jammer, daß der Stifter sich für Italien entschieden hat. In der Schweiz wären wir sicherer gewesen.«
»Aber auch unter schärferer Überwachung. Stimmt’s? Wie können Sie sicher sein, daß der Feind den Stifter nicht mit der Stiftung in Verbindung bringt?«
Wir waren inzwischen ausgestiegen. Sie warf Mokhtar den Wagenschlüssel zu und dachte kurz nach, bevor sie antwortete.
»Wie könnten sie? Der Name des Stifters in den gesetzlichen Unterlagen ist keiner von denen, die Ihnen oder dem Feind bekannt sind. Hier ist unser Status als wohltätige Stiftung aus dem Ausland längst anerkannt.« Sie hatte wieder angefangen, aus dem Buch zu zitieren. »Unsere Besucher, Studenten und andere, waren schon immer ruhige und wohlerzogene Leute. Wir machen keinen Ärger, und wir erregen keinen Anstoß. Wir kaufen alles, was wir brauchen, bei den Leuten im Ort, und wir bezahlen bar. Aber wir bleiben für uns, und wir bleiben nach außen uninteressant. Sie haben die Abdrücke der alten Buchstaben auf der Außenmauer gesehen. Sicher, wir könnten sie überstreichen. Frisch gestrichen würde alles draußen besser aussehen. Wir würden aber auch die Aufmerksamkeit auf uns lenken und Neugier erwecken. Bevor das hier vor sechzig oder siebzig Jahren ein mieses Hotel wurde, war es die Wochenendvilla eines Mailänder Seidenhändlers. So lange, bis ihm das letzte der großen Hotels, die sie unten am See bauten, den Blick auf den See ruinierte. Man sagt, daß er an einem gebrochenen Herzen gestorben sei. Wir möchten solche alten Geschichten nicht wieder aufleben lassen, nur weil wir aus diesem Haus wieder eine Villa machen. Es ist besser, wenn es weiterhin wie das miese Hotel aussieht, das unbeachtet am Ende einer uninteressanten kleinen Sackgasse liegt.«
Als sie vor mir her ins Haus ging, kam mir plötzlich im Hinblick auf das Buch, aus dem sie ständig zitierte, ein Verdacht: sie verfaßte es selbst.
Das fette Mädchen mit den blaugetönten Brillengläsern war nicht im Dienst. Am Empfang saß diesmal eine imposantere Gestalt, ein gutaussehender, streng wirkender Mann um die Fünfzig. Zu seinem dunkelgrauen Anzug trug er ein makelloses weißes Hemd und eine perlgraue Seidenkrawatte. Er streifte mich mit einem gleichgültigen Blick und nickte Chihani kurz zu.
»Sie haben sich Zeit gelassen«, sagte er auf französisch. »Er hat schon ein paarmal nach Ihnen gefragt. Man hat mit dem Lunch auf Sie gewartet. Was war denn? Gab es
Weitere Kostenlose Bücher