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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Probleme?«
    »Keine Probleme, Jean-Pierre. Mr. Halliday mußte sich einen Wagen mit Chauffeur besorgen. Er hat sich um zwanzig Minuten verspätet. Vergessen Sie nicht, es ist Freitag.«
    Jean-Pierre wandte sich an mich. »Haben Sie irgendeine Waffe bei sich?« fragte er. Sein Englisch war gut, aber sorgsam bedacht.
    »Nein«, sagte ich. »Möchten Sie mich durchsuchen?«
    Er hatte eine vorwitzige Oberlippe, die ungeduldig zuckte. »Ich frage nur, um uns beiden eine peinliche Situation zu ersparen, Mr. Halliday. Wir haben oben Metalldetektoren, vor dem Eingang zum Penthouse. Ach ja, Sie haben doch wohl den Zimmerschlüssel aus Ihrem Hotel dabei. Dürfte ich den bitte haben?«
    Ich überließ ihm den Schlüssel. Er gab ihn an Chihani weiter, entließ sie mit einer beiläufigen Handbewegung und kam dann hinter der Theke hervor. »Kommen Sie bitte mit, Mr. Halliday.«
    In seinem Verhalten und in seinem ganzen Äußeren war er der seriöse Direktor eines feudalen Grandhotels, der sich persönlich um einen eben angekommenen prominenten Gast kümmert. Das einzige, was überhaupt nicht in dieses Bild paßte, wurde kurz sichtbar, als er die an Scharnieren befestigte Schranke aufklappte, um nach vorn zu kommen. Auf dem Bord unmittelbar unter der Theke lag ein Selbstladegewehr mit abgesägtem Lauf neben einer offenen Schachtel 20er-Munition.
    Ich hatte mich schon darauf eingestellt, wieder die Treppe benützen zu müssen, aber statt dessen führte er mich auf der anderen Seite der kleinen Lobby durch einen hinter einem Vorhang liegenden Bogengang. Zu Hotelzeiten mußte der Raum, den wir jetzt betraten, eine Art Schreibzimmer oder Aufenthalts räum gewesen sein. Die geblümte Tapete war noch da, doch das Ganze war nun als Unterrichtsraum eingerichtet, zwölf oder vierzehn Pulte, ein Gestell mit einer Schiefertafel, ein Plattenspieler mit zwei Lautsprechern. Ein Ausgang hinter der Tafel führte zu einem kurzen Korridor. An dessen Ende war etwas, was wie die Tür zu einem kleinen Wandschrank aussah.
    Er schloß die Tür mit einem seriös aussehenden modernen Schlüssel auf, und wir standen vor einem schmiedeeisernen Gitter und einem Aufzug – einem Modell, von dem ich geglaubt hatte, es sei längst ausgestorben, selbst in Europa. Es sah aus wie ein Vogelkäfig und hatte Platz für zwei schlanke Personen, von denen eine einen großen Kontrollhebel betätigen mußte. Er schob das Gitter zur Seite und forderte mich auf, hineinzugehen.
    Ich blickte ihn unschlüssig an und wurde mit einem frostigen Lächeln beehrt. »Dieser Aufzug wurde eingebaut, bevor das Haus ein Hotel war«, sagte er. »Jedenfalls hat man mir das erzählt. Es heißt, daß der Besitzer herzkrank war. Das Hotel benützte ihn dann als Speiseaufzug für Gäste, die auf ihrem Zimmer frühstücken wollten. Wir haben ihn überprüfen lassen. Die Ingenieure stellten überrascht und mit einigem Stolz fest, daß er sicher funktioniert.«
    Ich trat hinein. Im gleichen Moment sackte der Boden mit einem dumpfen Schlag ab. Es ging nicht weit nach unten, aber es schreckte mich auf.
    »Das ist normal«, sagte Jean-Pierre, »eine Sicherheitseinrichtung.«
    Er gesellte sich zu mir, zog die äußere Tür zu und schloß sie ab, verschloß das Gitter und betätigte den Hebel. Wacklig stiegen wir auf, passierten zwei stahlbewehrte Schachttüren und hielten bei einer dritten an. Sie hatte ein Weitwinkelguckloch, zwei Schlösser und einen Klingelknopf, den man durch das Gitter des Aufzugs hindurch betätigen konnte, wenn man wußte, wie.
    Es war der Familienvater persönlich, der die Stahltür aufschloß, um uns einzulassen.

Siebtes Kapitel
    D
    ie erste Überraschung war seine äußere Erscheinung. Verschwunden war der Frotteemantel. Heute hatte er beschlossen, sich fein zu machen.
    Er trug ein dunkelblaues seidenes Hemd, am Kragen weit offen, so daß die Goldkette mit dem Louisdor gut zur Geltung kam, weiße Gabardinehosen mit einem darauf abgestimmten geflochtenen Gürtel aus Glanzleder und schwarze Slipper aus Krokodilleder. Die Schnallen an den Schuhen waren eben noch klein genug, um einen vermuten zu lassen, sie könnten aus echtem Gold sein. Er sah aus wie ein alternder Playboy, der eben ein kleines Vermögen an der Via Condotti ausgegeben hat oder sich anschickt, ein nicht so kleines Vermögen in einer Boutique in Beverly Hills zu verdienen.
    Das zweite Kuriosum war die Innenausstattung. Nummer 17 unten, das Büro mit dem Gymnastikraum, war solide und zweckmäßig eingerichtet

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