Mit dir an meiner Seite
die kalte Luft, aber für ihren Vater war dieser Wetterumschwung kritisch. Sie machten nach wie vor ihre Spaziergänge, aber er bewegte sich immer langsamer, und sie blieben nur kurz vor der Kirche stehen, dann drehten sie um und gingen wieder zum Bungalow. An der Haustür angekommen, zitterte ihr Vater oft vor Erschöpfung. Ronnie ließ dann warmes Wasser in die Badewanne ein, weil sie hoffte, das würde ihn ein bisschen beleben. Und immer wieder wurde sie von einer schrecklichen Panik gepackt, weil all diese Symptome natürlich auch Anzeichen für das Fortschreiten der Krankheit waren.
An einem Freitag, eine Woche vor Halloween, machte ihr Vater den Vorschlag, an der kleinen Anlegestelle angeln zu gehen, an der Ronnie ihren ersten Tag mit Will verbracht hatte. Officer Pete borgte ihnen zwei Angeln und eine Schachtel mit Ködern. Erstaunlicher weise hatte Dad in seinem Leben noch nie geangelt, also musste Ronnie die Köder anbringen. Die ersten beiden Fische, die anbissen, entkamen sofort wieder, aber schließlich schafften sie es doch, einen kleinen Roten Trommler zu erwischen. Genau wie im Sommer mit Will. Und während Ronnie den zappelnden Fisch behutsam vom Haken befreite, vermisste sie ihren Freund auf einmal mit einer Intensität, die sich wie ein körperlicher Schmerz anfühlte.
Als sie nach dem friedlichen Nachmittag an der Anlegestelle wieder nach Hause kamen, warteten zwei Menschen auf der Veranda. Ronnie erkannte sie erst, als sie aus dem Auto stieg. Es waren Blaze und ihre Mutter. Blaze sah völlig anders aus: Die Haare hatte sie zu einem ordentlichen Pferdeschwanz frisiert, und sie trug weiße Shorts, dazu ein blaugrünes Top mit langen Ärmeln. Kein Schmuck, kein Make-up.
Der Anblick von Blaze erinnerte sie an etwas, was sie erfolgreich verdrängt hatte, weil sie sich ständig um ihren Vater kümmerte: Sie hatte noch vor Monatsende einen Gerichtstermin. Warum waren die beiden jetzt hier? Was wollten sie?
Wie immer half sie ihrem Vater beim Aussteigen und bot ihm ihren Arm als Stütze an.
»Wer sind diese Frauen?«, fragte er sie leise.
Ronnie erklärte es ihm kurz, und er nickte nur. Als sie sich der Veranda näherten, kam ihnen Blaze entgegen.
»Hallo, Ronnie.« Sie räusperte sich und kniff die Augen zusammen, weil sie in die untergehende Sonne schauen musste. »Ich bin hier, weil ich gern mit dir sprechen möchte.«
Ronnie und Blaze saßen im Wohnzimmer. Blaze starrte verlegen auf den Fußboden. Ihre Mutter und Steve hatten sich in die Küche zurückgezogen, damit die beiden Mädchen ungestört reden konnten.
»Es tut mir sehr leid, dass dein Dad krank ist«, begann Blaze schließlich. »Wie geht es ihm?«
»Na ja.« Ronnie zuckte die Achseln. »Und wie geht es dir?«
Blaze legte die Hand vorne auf ihr T-Shirt. »Ich werde hier immer Narben haben«, sagte sie. Dann deutete sie auf Arme und Bauch. »Und hier auch.« Mit einem traurigen Lächeln fügte sie hinzu: »Aber ich bin froh und dankbar, dass ich es überlebt habe. Ehrlich. Und ich wollte mich endlich bei dir und Will bedanken, dass ihr mich ins Krankenhaus gebracht habt.«
Ronnie nickte. »Das war doch selbstverständlich.«
Stumm blickte sich ihre frühere Freundin im Zimmer um, als wüsste sie selbst nicht, wie sie weitermachen sollte. Ronnie tat etwas, was sie von ihrem Vater gelernt hatte: Sie wartete.
»Ich hätte schon früher kommen sollen. Aber ich dachte, du hast sicher sehr viel zu tun.«
»Ist schon okay«, entgegnete Ronnie. »Ich freue mich, dass es dir besser geht.«
»Wirklich?«
»Ja, klar.« Ronnie grinste. »Auch wenn du aussiehst wie ein Osterei.«
Blaze zupfte an ihrem Top. »Ich weiß. Verrückt, was? Meine Mom hat mir ein paar neue Sachen gekauft.«
»Die Farbe steht dir gut. Ich schließe daraus, dass ihr wieder besser miteinander auskommt?«
»Ich gebe mir Mühe. Ich wohne jetzt wieder zu Hause, aber es ist gar nicht so leicht. Ich habe echt viel Mist gebaut und war oft gemein. Zu meiner Mutter, aber auch zu anderen Leuten. Zum Beispiel zu dir.«
Ronnie saß reglos da und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Warum bist du gekommen?«
An der Art, wie Blaze die Hände ineinanderkrampfte, konnte man ihre Anspannung erkennen. »Ich möchte dich um Entschuldigung bitten. Ich habe dir etwas Schreckliches angetan. Natürlich kann ich den Stress, den du deswegen hattest, nicht rückgängig machen. Aber - ich war heute Morgen bei der Staatsanwältin. Ich habe ihr gesagt, dass ich die Sachen in
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