Mit dir an meiner Seite
zurechtkam, und versuchte, aus der ihnen noch verbleibenden gemeinsamen Zeit das Beste zu machen. Am Wochenende ging es ihm sehr gut, deshalb machten sie einen Ausflug zur Orton Plantation bei Southport, nicht weit von Wilmington entfernt. Ronnie war noch nie dort gewesen, und als sie in den Kiesweg einbogen, der durch die üppige Gartenanlage zu dem ehemaligen Herrenhaus von 1735 führte, wusste sie: Es wird ein unvergesslicher Tag. Dieser Ort schien aus einer anderen Welt zu stammen. Die Blumen blühten zwar nicht mehr, aber als sie mit Dad zwischen den riesigen Eichen umherspazierte, von deren niedrigen Zweigen die Flechten des Louisianamooses hingen, dachte Ronnie, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie etwas so Wunderbares gesehen hatte.
Lächelnd hakte sie sich bei ihrem Vater unter, und zum ersten Mal erzählte Ronnie ihm von ihrer Beziehung zu Will - wie sie angeln gegangen waren, wie sie Mudding gemacht hatten, wie er vom Dach des Badehäuschens elegant in den Pool gesprungen war. Und natürlich erzählte sie von dem schrecklichen Eklat bei der Hochzeit. Unerwähnt ließ sie allerdings die Ereignisse an dem Abend, bevor Will nach Vanderbilt aufbrach, und was sie zu ihm gesagt hatte. Darüber konnte sie noch nicht sprechen, die Wunde war zu frisch. Wie immer hörte Dad ruhig zu und stellte nur selten eine Zwischenfrage, auch wenn sie abschweifte. Das fand sie angenehm. Nein, mehr als das sie fand es ganz, ganz wunderbar und fragte sich, was aus ihr geworden wäre, wenn sie den Sommer nicht hier mit ihm verbracht hätte.
Anschließend fuhren sie nach Southport und aßen in einem der kleinen Restaurants mit Blick auf den Hafen. Ronnie merkte, dass ihr Vater immer müder wurde, aber das Essen schmeckte großartig, und zum Nachtisch teilten sie sich ein feines Brownie mit warmer Schokoladensoße.
Ein rundum gelungener Tag! Ronnie wusste, dass er ihr für immer im Gedächtnis bleiben würde. Aber als sie später, nachdem ihr Vater schon ins Bett gegangen war, allein im Wohnzimmer saß, dachte sie wieder darüber nach, dass es doch noch mehr geben musste, was sie für ihn tun konnte.
In der folgenden Woche, der dritten Septemberwoche, merkte sie, dass sich der Zustand ihres Vaters verschlechterte. Er schlief oft den halben Vormittag und legte sich trotzdem am Nachmittag wieder hin, um sich auszuruhen. Die Phasen wurden immer länger, und abends ging er auch sehr früh schlafen. Während Ronnie die Küche aufräumte, weil sie sonst nichts mehr zu tun hatte, rechnete sie aus, dass er inzwischen mehr als die Hälfte der Zeit im Bett verbrachte.
Aber es wurde noch schlimmer. Er aß nicht mehr genug, sondern schob sein Essen auf dem Teller hin und her und tat nur so, als würde er etwas zu sich nehmen. Aber wenn Ronnie die Reste in den Müll warf, merkte sie, dass er kaum einen Bissen angerührt hatte. Er magerte immer mehr ab, und jedes Mal, wenn sie ihn anschaute, hatte sie das Gefühl, dass er kleiner und schmaler geworden war.
Der September ging zu Ende. Es war immer noch heiß und zudem die Hochsaison der Hurrikane, aber bisher war die Küste von North Carolina glücklicherweise verschont geblieben.
Am Tag zuvor hatte ihr Vater vierzehn Stunden geschlafen. Sein Körper ließ ihm keine andere Wahl, aber es tat Ronnie in der Seele weh, dass er die wenige ihm noch verbleibende Zeit hauptsächlich schlafend verbrachte. Auch in wachem Zustand war er viel stiller und gab sich damit zufrieden, in der Bibel zu lesen oder schweigend mit ihr einen gemächlichen Spaziergang zu machen.
Öfter als erwartet musste Ronnie an Will denken. Sie trug immer noch das Makramee-Armband, das er ihr geschenkt hatte, und wenn sie mit dem Finger über das komplizierte Gewebe strich, fragte sie sich, welche Kurse er wohl belegt hatte und mit wem er über den Campus schlenderte, wenn er von einem Vorlesungsgebäude ins andere ging. Wie gern hätte sie gewusst, neben wem er in der Cafeteria saß und ob er manchmal an sie dachte, wenn er am Freitag- oder Samstagabend ausging! Und in ihren eher pessimistischen Momenten vermutete sie, dass er sicher schon jemand Neues gefunden hatte.
»Möchtest du gern darüber reden?«, fragte ihr Vater eines Tages, als sie den Strand entlanggingen. Sie waren auf dem Weg zur Kirche. Seit der Wiederaufbau mit neuem Schwung begonnen hatte, ging alles sehr rasch vorwärts. Unzählige Handwerker schwirrten herum: Zimmerleute, Elektriker, Schreiner, Maler, Maurer. Die Arbeiter kamen und gingen, und
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