Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)
verzog sich unwillkürlich zu einem Lächeln, während der Wind an ihrer Haut riss und die schlackernden Wangen straff hinter die Ohren zu zerren schien – fast so, als habe sie eine doppelte Dosis Botox gespritzt bekommen.
Was ist es nur, das ein so wunderbares Gefühl auslöst? , fragte sie sich, als sie der Erde entgegenfiel. Es war nicht die schöne Aussicht auf den Flickenteppich aus Feldern und Wiesen mit den weichen Silhouetten der Berge im Hintergrund. Das alles interessierte sie nicht wirklich. Sie schloss gegen jede Vernunft erneut die Augen und gab sich vollkommen dem Gefühl des freien Falls hin. Der Wind in ihrem Gesicht, das Gefühl völliger Freiheit in den Adern, es war der absolute Adrenalinkick.
Ihre Gedanken begannen abzuschweifen. Sie dachte an ihre Unterhaltung mit Violet vom Vormittag. Sie dachte an die vielen Auseinandersetzungen während der vergangenen Monate mit James. Sie dachte an ihren Chef, der von ihr forderte, ins Büro zurückzukehren. Und dann dachte sie daran, all die Konflikte in ihrem Leben wie Ballast einfach abzuwerfen.
Warum nicht einfach loslassen?
Ich sollte Belinda anrufen.
Ich sollte mich bei James entschuldigen.
Ich sollte meinen Job kündigen.
Und mit einem Mal gestattete sie es sich, an jenen Tag im EzyMart in der Pitt Street zu denken. Sie begann, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Sie sah den Ausdruck im Gesicht ihres Sohnes, als er seinen letzten Atemzug tat, und dabei wurde ihr klar, dass sie sich getäuscht hatte. Weder Angst noch Entsetzen hatte sie in seinen Augen gelesen, und er hatte auch nicht verzweifelt, schwach und mitleiderregend gewirkt. Im Gegenteil. Er hatte stark, mutig und stolz ausgesehen, den Eindruck eines Menschen auf sie gemacht, der für sein Schicksal bereit gewesen war, es angenommen hatte und sich von dieser Welt verabschiedete.
Bis später, Mum .
Aber da war noch etwas gewesen. Etwas, das er so fest in seiner Hand gehalten hatte. Etwas so Wichtiges, dass sie es nicht länger ignorieren konnte.
Was war es nur gewesen?
Evelyn traf ein kräftiger Schlag an der Schulter. Sie riss die Augen auf, und was sie sah, ließ ihr Herz einen Schlag lang aussetzen. Ihr Magen verkrampfte sich, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Die Erde sauste ihr mit ungeheurer Geschwindigkeit entgegen, und Bazza war an ihrer Seite, hantierte panisch an der Öffnungsleine ihres Hauptschirms. Starr vor Entsetzen erkannte sie ihren Fehler. Die ganze Zeit über, während sie sich mit geschlossenen Augen ihren Gedanken hingegeben hatte, hatte sie zu zählen vergessen. Wieder vergessen!
Großer Gott! Ich bin so gut wie tot. Das habe ich mir selbst zuzuschreiben.
Bis später, Mum!
In diesem Moment wurde sie mit einem Ruck in die Höhe gerissen. Bazza hatte ihren Fallschirm geöffnet und nur Sekundenbruchteile später seine eigene Reißleine gezogen. Im letzten Moment. Nach der Öffnung des Fallschirms schwebte man normalerweise noch mindestens eine Minute sanft der Erde entgegen, hatte ausreichend Zeit, sich auf die Landung vorzubereiten. Jetzt, nachdem sich der Schirm praktisch in letzter Minute geöffnet hatte, musste sie sich auf eine schwierige, unsanfte Landung gefasst machen.
Evelyn prallte hart auf dem Boden auf, schlug Purzelbäume, verlor das Gefühl für oben und unten, und Himmel und Wiese wurden eins. Irgendwann blieb sie flach auf dem Rücken liegen, ein Bein unangenehm verdreht unter ihr begraben. Wie im Schock wagte sie nicht, sich zu bewegen, und versuchte erst einmal ruhig zu atmen. Dann tastete sie vorsichtig Arme und Beine ab, um festzustellen, ob etwas gebrochen war.
Erstaunlicherweise schienen alle Knochen heil geblieben zu sein – bis auf ein Fußgelenk, das schon unter ihren Blicken dick anzuschwellen begann. Aber das interessierte sie kaum. Sie lebte . Wie um Himmels willen hatte sie das geschafft? Ich kann dir sagen, wie , dachte sie, wütend auf sich selbst. Bazza ist der Grund, weshalb du das überlebt hast . Der Junge hat dich gerettet.
»Lieber Gott, wenn ihm was passiert ist … Das verzeihe ich mir nie!«, murmelte sie, drehte sich um und richtete sich auf, um nach Bazza Ausschau zu halten. Sie hörte ihn, bevor sie ihn sah. »Ev! Ev, ist mit Ihnen alles in Ordnung?«, schrie er schon von Weitem und rannte auf sie zu.
Dem Himmel sei Dank! Ihm ist nichts passiert.
Sie hob die Hand zum Zeichen, dass sie okay war, und ließ sich wieder ins Gras sinken. Bazza war in einiger Entfernung von ihr gelandet. Es würde daher
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