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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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jeder darf
    Wenn mein Vater mich ärgern möchte, dann spricht er mich auf meine Karriere als aktiver Fußballspieler an (»zu kurz, zu erfolglos«). Oder er lobt meine Frau (»zu hübsch und zu nett für dich«). Oder er verweist auf meinen Beruf: Autor oder Journalist könne ja nun wirklich jeder werden, sagt er, und er hat damit gar nicht so unrecht. Grundsätzlich darf sich jeder Mensch Journalist nennen, der etwas veröffentlicht hat, was in Zeiten von Blogs und Twitter und Facebook jeden Menschen mit Internetanschluss zu einem Journalisten macht. Das mag einen verwundern, wenn man darüber nachdenkt, was man in Deutschland erst dann machen darf, wenn man eine Genehmigung vorweisen kann.
    Deutschland ist das Land der Vorschriften und der Genehmigungen, es ist beinahe ein Wunder, dass wir uns noch nicht umbenannt haben in »Bürokratieland« und als Fahne einen roten Kreis als Zeichen für Verbote gewählt haben. Im Jahr 2007 gelangte eine Studie des Statistischen Bundesamts an die Öffentlichkeit, in der zusammengerechnet wurde, wie viel die Belastung durch Bürokratie allein die deutschen Unternehmen kostet: Es waren etwa 39 Milliarden Euro pro Jahr. Nur für Unternehmen, die Kosten für einzelne Bürger sind in diese Statistik nicht eingerechnet.
    Wissen für Nichtjuristen
    Wer Taxifahrer werden möchte,
braucht dafür eine Genehmigung.
Die Kunden allerdings können
wählen, zu wem sie einsteigen
möchten. Sie sind nicht verpflich-
tet, das erste Taxi in der Reihe zu
nehmen.
    Charles Dickens persifliert in seinem Roman Little Dorrit die Bürokratie, er beschreibt in einem Kapitel das »Circumlocution Office«, das Amt für Umschweife. In diesem Amt beschäftigen sich alle mit allem, und alle sind dabei, Formulare auszufüllen, doch vor lauter Umständen schaffen sie gar nichts. Dickens schreibt: »Was immer getan werden muss, das Amt für Umschweife ist zuvor dagewesen mit all seinen öffentlichen Stellen in der Kunst der Wahrnehmung, wie man es nicht macht.«
    Deutschland ist das Land für Umschweife.
    Wer sich ein wenig umsieht, der findet eine ganze Menge grandioser Vorschriften und Paragrafen und Genehmigungen.
    Wer in Abwasserkanälen schwimmen möchte, der muss sich die ausdrückliche Erlaubnis des zuständigen Amtes einholen. Dabei ist natürlich auch zu beachten, dass es verboten ist, in oberirdischen Gewässern an ein fahrendes Wasserfahrzeug heranzuschwimmen und sich daranzuhängen. Wer als deutscher Staatsbürger in Deutschland einen Handwerksbetrieb gründen möchte, der braucht dazu meistens einen Meisterbrief. Wenn ein EU -Ausländer hierzulande so einen Betrieb gründen möchte, dann braucht er aufgrund des EU -Harmonisierungsgesetzes keinen Meisterbrief.
    Auch schön war der Fall des Umweltingenieurs Ralf Steeg, der im Jahr 2005 geplant hatte, die Spree von Abwasser zu befreien, und für sein Projekt »Spree 2011« vom Bundesforschungsministerium einen Zuschuss von zwei Millionen Euro bekommen hatte. Steeg wollte am Berliner Osthafen eine Anlage mit Tanks bauen, deren Errichtung etwa vier Monate dauern sollte. Am Ende dauerte es sieben Jahre, weil Steeg erst einmal vier Genehmigungen einholen musste: beim Bezirk, bei den Wasserbetrieben, beim Wasser- und Schifffahrtsamt und bei der Umweltverwaltung. Schließlich stellte sich auch noch die Hafen- und Lagergesellschaft quer, erst im April 2012 wurde das Projekt fertiggestellt.
    Meine persönliche Lieblingsgenehmigung ist jene, die man braucht, wenn man Luftballons steigen lassen möchte – auf einem Kindergeburtstag etwa, bei einer Hochzeit oder einem Vereinsfest. Der Luftverkehrsordnung zufolge stellt das nämlich eine verbotene Nutzung des Luftraums dar. Nur durch das Einholen einer Genehmigung wird es zu einer besonderen Nutzung des kontrollierten Luftraums.
    Es ist genau festgelegt, unter welchen Voraussetzungen der Ballonfreund eine Genehmigung braucht: bei Aufstiegen von gebündelten unbemannten Freiballons, bei Aufstiegen von unbemannten Freiballons mit einer Gesamtmasse der Ballonhüllen von mehr als 500 Gramm und bei Massenaufstiegen von unbemannten Freiballons in der Umgebung internationaler Flughäfen und im Umkreis von 15 Kilometern um Regional- oder Militärflughäfen. Wer mehr als 500 Ballons steigen lassen möchte, braucht immer eine Genehmigung. Man muss zwei Wochen vor dem geplanten Steigenlassen die Genehmigung bei der Deutschen Flugverkehrskontrolle beantragen, mittlerweile gibt es dafür sogar ein Online-Formular. Dabei muss

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