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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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der Meinung ist, dass die Schubser ein wenig häufiger vorkommen müssten und auch ein wenig kräftiger sein dürfen.
    Ein Kind wächst ohne Grenzen auf, ohne Gesetze und ohne Regeln, es ist der Diktator der Eltern, die ihren Schlafrhythmus, ihre Verpflichtungen und auch ihren Tagesablauf den Bedürfnissen des Kindes anpassen. Nach einem Jahr entwickelt sich ein Mikrostaat: Das Kind ist der kleine Bürger, die Mutter bildet – zumindest in unserer Familie – die Regierung, während der Vater in der Opposition sitzt. Dazu gibt es eine ganze Menge politischer Berater (Großeltern), Lobbyisten (Tanten und Onkel), nervige Medien (Freunde ohne eigene Kinder) und natürlich noch nervigere Altbundeskanzler (Freunde mit eigenen Kindern). Die EU -Gesetze liefern die Nachbarn, die einen recht penibel darauf hinweisen, dass ein lärmendes Kind gegen den Mietvertrag verstößt.
    Nach diesem ersten Jahr erleben wir den ersten Schritt unseres Sohnes gemeinsam, streiten immer noch darüber, was das erste Wort war (»Mami« oder »Licht«) – und müssen uns langsam Gedanken machen, wie wir die Erziehung gestalten wollen. So ein Kind erkennt zwar die Gefühle der Eltern, es kann jedoch keine Gedanken lesen und sehen, was den Eltern gerade wichtig ist. Zudem gehört es zu den Eigenschaften von Kindern, Grenzen zu testen und regelmäßig zu überschreiten. Was also tun?
    Ein Kind macht nicht, was die Eltern ihm sagen – ein Kind macht, was die Eltern machen.
    Wissen für Nichtjuristen
    Auch wenn auf zahlreichen Schil-
dern etwas anderes steht: Eltern
haften nicht für ihre Kinder! Nur
wenn auch den Eltern ein Fehl-
verhalten nachzuweisen ist, haften
die Eltern. (§§ 828, 832 BGB)
    Es wäre natürlich möglich, eine Liste zu führen mit den Gesetzen, Regeln und Verboten, die man seinem Kind auferlegt. An seinem ersten Geburtstag bin ich der Meinung, ein ganz hervorragender Gesetzgeber zu sein. Die Exekutive überlasse ich zunächst meiner Frau, weil ich bei den Augen meines Sohnes nicht anders kann, als ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Ich wäre ein schrecklicher Polizist. Würde mich ein Dieb mit Hundeaugen ansehen, würde ich ihm helfen, einen Fernseher aus der Wohnung zu tragen und im Fluchtauto zu verstauen – und ihm auch noch Spritgeld mitgeben.
    In der Jurisdiktion wechseln wir uns ab, wir besprechen die möglichen Strafen für unseren Sohn, wobei körperliche und seelische Gewalt natürlich keine Optionen sind. Als härteste Form der Bestrafung beschließen wir die Möglichkeit, ihn zu zwingen, in sein Zimmer zu gehen und über seine Untaten nachzudenken. Die normale Bestrafung: Er muss mit verschlossenen Armen vor mir stehen und sich anhören, was ich zu sagen habe. Dann gibt er mir einen Kuss und High Five, und die Sache ist erledigt.
    Womit ich nicht gerechnet habe: Kinder sind hochintelligente und gerissene kleine Wesen. Natürlich hört sich Finn die Predigt an, wobei die Worte ins linke Ohr hineingehen und zum rechten wieder hinaus, ohne einen Zwischenstopp in seinem Gehirn gemacht zu haben. Er weiß, dass er nur eine Minute ruhig stehen und so tun muss, als würde ihn interessieren, was Papa da so labert. Dann geht das Leben weiter, als wäre nichts gewesen.
    Dazu betonen die Lobbyisten die Wichtigkeit von Geschenken für den Bürger, die politischen Berater finden, dass Schokolade auch nachmittags erlaubt sein sollte, die Altbundeskanzler teilen einem mit, dass man von Tuten und Blasen keine Ahnung habe – und die Medien verbreiten derweil, dass man die Wahlversprechen (»Wir sind auch weiterhin ein cooles Paar, veranstalten Partys und gehen jedes Wochenende mit euch in die Diskothek«) keinesfalls erfüllt habe. Und die EU betont, dass man die Verordnungen nicht eingehalten habe und sich auch dringend mal um den Schuldenschnitt kümmern müsse.
    Der kleine Bürger veranstaltet derzeit kleinere Protestaktionen wie Sitzstreiks beim Spazierengehen, Hungerstreik bei zu wenig Spielzeit – teilweise auch offene Revolte und die Beleidigung der Regierung (»Dummi«).
    Die Sache ist klar: Es muss eine strengere Gesetzgebung her.
    Ich führe eine Liste – und bemerke an Finns zweitem Geburtstag, dass ich mehr als 150 Verbote ausgesprochen habe, dazu mehr als 200 Strafen, wobei die schlimmste Variante ein fünfminütiger Zwangsaufenthalt in seinem Zimmer bei offener Tür war.
    Finn ist das komplett egal, er fühlt sich in dieser Nicht-mehr-so-ganz-Anarchie immer noch pudelwohl und weiß, dass Proteste, Demonstrationen und

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