Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
den Teilnehmern unter 25 Jahren ist es gar jeder zweite. »Die größte Sorge der Telefonierer ist nicht, dass sie andere gefährden könnten. Es geht ihnen nur darum, nicht erwischt zu werden. Ähnlich ist es bei Verstößen gegen Tempolimit und Überholen.«
Einer der wichtigsten Gründe für Gesetze ist, dass jeder Mensch weiß, woran er sich halten muss – und dass er darauf zählen kann, dass sich auch alle anderen daran halten. Der Straßenverkehr, man kann es nicht anders sagen, ist genau das Gegenteil: Man muss permanent damit rechnen, dass sich jemand nicht an die Gesetze hält.
Viele Menschen seien nicht mehr auf dem neuesten Stand der Straßenverkehrsordnung: »Nach der Führerscheinprüfung vergessen sie recht schnell, was erlaubt ist und was nicht – und dann versuchen sie, sich bei Verstößen auf Unkenntnis zu berufen.«
(Un-)Wichtiges Wissen
Wer als Fußgänger das »Halte-
gebot des Polizeibeamten« miss-
achtet, kann mit einer Strafe von
fünf Euro belegt werden.
Also erst einmal weiterbilden. Die Straßenverkehrsordnung kenne ich, ich muss nur noch den Strafenkatalog lesen.
Offiziell heißt das Dokument »Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog – Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten« und wird vom Kraftfahrt-Bundesamt herausgegeben. Darunter steht: »Ihr zentraler Informationsdienstleister rund um das Kraftfahrzeug.« Auf dem Titelblatt sind exakt elf Wörter – und fünf davon haben mehr als vier Silben, eines hat sogar zehn Silben.
Der Tatbestandskatalog umfasst 442 Seiten. So viele sind nötig, um alle Vergehen aufzuzählen, die man im Straßenverkehr so begehen kann: Wer beim Reißverschlussverfahren andere behindert, wird mit 20 Euro belangt. Richtig teuer wird es, wenn man außerhalb geschlossener Ortschaften mit Schneeketten mehr als 60 Stundenkilometer über dem Limit fährt: Das kostet 680 Euro, dazu muss man den Führerschein für drei Monate abgeben. Ich frage mich zwar, wie man mit Schneeketten eine Geschwindigkeit von 110 Stundenkilometern erreichen will – aber gut, dass dieser Fall geregelt ist.
Auch eine schöne Regel: »Sie hielten/parkten nicht Platz sparend.« Das ist Tatbestandsnummer 112456 und wird mit zehn Euro geahndet. Ich würde in diesem Fall ein Schild vorschlagen:
Linda, eine befreundete Polizistin, sagte mir dazu, dass in Nürnberg mal jemand auf die Polizeidienststelle gekommen ist und eine Anzeige wegen Beleidigung erstattet hat: »Ich habe ihn davon abbringen können, die Anzeige zu machen. Ich finde die Idee mit der Nachricht eher genial, sie würde uns so manche Arbeit erleichtern.« Sehe ich ähnlich – und ich würde lieber so einen Zettel finden als einen Bußgeldbescheid über zehn Euro.
Wer vor einem Bahnübergang die Wartepflicht verletzt, muss zehn Euro bezahlen; wer den Übergang trotz geschlossener Schranke mit dem Auto überquert, gibt seinen Führerschein für drei Monate ab und löhnt 700 Euro. Vielleicht kann er danach aber eine Karriere als Zauberer starten, denn: Das Auto durch die geschlossenen Schranken zu navigieren, während gerade ein Zug heranrauscht, sollte doch für Nervenkitzel und Begeisterung bei den Zuschauern sorgen.
(Un-)Wichtiges Wissen
Wer eine Straße nicht auf dem
kürzesten Weg überquert, kann
mit einer Strafe von fünf Euro
belegt werden.
Außerdem: Das Führen eines Tieres von einem Kraftfahrzeug aus kostet fünf Euro. Wer unnütz hin- und herfährt, muss 20 Euro bezahlen. Das passierte einer Frau in Deggendorf, die sich erst einen Burger holte und dann ein paar Mal über den Stadtplatz fuhr und dann noch eine Runde durch die Stadt. Wer die Tür seines Autos zu laut zuschlägt, bezahlt ebenso zehn Euro wie jemand, der mit quietschenden Reifen um die Kurve biegt oder den Motor unnötig laufen lässt.
Auch Parkscheiben sind hierzulande genormt: Wie sie auszusehen haben, zeigt das Musterbild 291 der Straßenverkehrsordnung. Erläutert werden sie in der Verkehrsblattverlautbarung Nr. 237 vom 24. November 1981: Gestattet sind nur Ziffern und Schrift nach DIN 1451 und Farben nach DIN 6171. Pink gehört nicht zu diesen Farben, weshalb eine Frau in Herten fünf Euro Strafe bezahlen musste – genauso wie ein Mann in Brandenburg, der es gewagt hatte, eine Parkscheibe mit den Maßen vier mal sechs Zentimeter zu verwenden.
Erlaubt dagegen: mit der Lichthupe die Überholabsicht anzeigen. Wir alle ärgern uns über diese Nervensägen, die einen durch Lichthupe und Blinken von der linken Spur hinunterkomplimentieren
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