Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
in Punkt 7: »Die Fahrerlaubnisbehörde hat zu ermitteln, ob der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen […] geeignet ist.«
Verbindet man das mit Paragraf 6, der die Beseitigung von Eignungsmängeln beschreibt und bereits von freiwilligen Fortbildungen zur Verkürzung der Probezeit spricht, so sind gar keine großen Gesetzesänderungen nötig, um herbeizuführen, dass die Menschen sich weiterbilden, um ihren Führerschein auch weiterhin behalten zu dürfen.
Warum nicht eine kleine theoretische Prüfung und eine 30-minütige Fahrt mit einem TÜV -Mitarbeiter alle zwei Jahre? Alle drei Jahre? Alle fünf Jahre? Was ist so schwer daran?
Schwer daran ist, dass Gesetzgeber den Menschen ein sinnvolles Gesetz geben müssten, mit dem sie die nächste Wahl nicht gewinnen würden.
Dann eben freiwillig! Warum nicht?
Der Versuch hat mir gezeigt, dass es das wert ist. Für mich und auch für meine Mitmenschen. Ich werde nun alle drei Jahre Randsteine attackieren wie Sebastian Vettel, aber besser vorbereitet. Ich werde zügig vorankommen, aber nicht auf der Flucht sein. Und ich werde wissen, wann die beste Zeit zum Wildwechsel ist. Vor allem aber werde ich dafür sorgen, dass der Prüfer sich vor der Fahrt anschnallt.
Kapitel 9
Gesetz gebrochen! Na und?
Als mein Sohn zweieinhalb Jahre alt war, sprach meine Frau ein Verbot aus: Sie wolle nicht mehr, dass er im Auto mitfährt, wenn ich am Steuer sitze. Ihre Begründung: Ich würde unter dem Autofahrer-Tourette-Syndrom leiden, und das ginge nun gar nicht, da sich mein Sohn gerade in einen Papagei verwandelte. Das gipfelte eines Tages in dem Dialog:
»Nun fahr doch weiter, du Idiot! Hat der Valium genommen oder hat er offene Socken? So ein Blödmann!«
»Papi, warum schimpfst du so?«
»Weil der da vorne fährt wie ein Blödmann!«
»Mami, der da vorne ist ein Blödmann.«
Böser Blick meiner Frau.
»Und ein Idiot! Und er hat kaputte Socken, Mami!«
Noch ein böser Blick, verbunden mit dem Verbot. So schnell geht das.
Ich sehe ein: Wenn ich schon kein Gesetz ändern kann, dann möchte ich mich selbst ändern und immer so fahren, als wäre es eine Führerscheinprüfung. Das ist gar nicht so einfach, schließlich beinhaltet die Straßenverkehrsordnung die Regeln, gegen die hierzulande am häufigsten verstoßen wird. Wissentlich verstoßen wird. Der Polizist, der mich berät, sagt mir: »Würden wir nur einen Tag lang jeden Meter deutscher Straßen kontrollieren, so würden wohl fünf Millionen Menschen ihren Führerschein abgeben, das Bußgeld würde in die Milliarden gehen – und nicht wenige Menschen würden im Gefängnis landen.« Wer am Straßenverkehr teilnimmt, steht mit einem Bein im Knast – dass so wenige tatsächlich im Gefängnis landen, liegt an den mangelnden Kontrollen: »Wenn man bedenkt, wie viele Straßen es in Deutschland gibt, dann wird ersichtlich, warum nur so wenige Menschen erwischt werden.«
Das überörtliche Straßennetz in Deutschland erstreckt sich auf eine Gesamtlänge von 231000 Kilometern, dazu kommen noch einmal 396000 Kilometer Straßen innerhalb der Kommunen. Das entspricht einer Fläche von etwa 20000 Quadratkilometern, die hierzulande zugepflastert ist. Eine flächendeckende Kontrolle ist da nicht möglich.
Jedes Jahr sterben weltweit 1,3 Millionen Menschen im Straßenverkehr, mehr als 30 Millionen werden verletzt. In den zwölf Monaten zwischen September 2011 und August 2012 betrugen die Zahlen allein für Deutschland 3892 und 393000. Alle vier Tage kam ein Kind bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Insgesamt registrierte die Polizei mehr als zwei Millionen Unfälle.
Sind wir ein Haufen wild gewordener Irrer, die nichts Besseres zu tun haben, als sich gegenseitig über den Haufen zu fahren?
Wissen für Nichtjuristen
Wer mit dem Handy im Auto
telefonieren will, muss nicht nur
anhalten, sondern auch den
Motor abschalten. Übrigens ist
auch das Telefonieren auf dem
Fahrrad verboten.
»Betrachtet man die Anzahl derer, die täglich am Straßenverkehr teilnehmen, so relativiert sich die Zahl wieder«, sagt der Polizist. »Allerdings grenzt es an ein Wunder, dass nicht mehr passiert: Die Leute telefonieren bei 200 Stundenkilometern, rasen auch bei Schnee und Wind, überholen, obwohl es eigentlich verboten ist. Ans Gesetz hält sich fast keiner.«
Wir brechen Gesetze in der Hoffnung, niemals erwischt zu werden – einer Studie der Allianz-Versicherung zufolge telefoniert jeder siebte Verkehrsteilnehmer während der Fahrt, bei
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