Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
müssen alle richtig sein. Auch auf der zweiten Seite fühle ich mich sicher, ich weiß nur nicht genau, wann ich mit verstärktem Wildwechsel zu rechnen habe. Ich bin versucht, als Antwortmöglichkeit »Während der Jagdsaison« hinzuzuschreiben.
Erst auf der letzten Seite komme ich leicht ins Schleudern. Erst bei dieser Frage: »Sie wollen an Ihren Pkw einen Anhänger ankuppeln. Wo finden Sie Angaben über die zulässigen Stützlasten Ihres Pkw?« Mögliche Antworten: »In der Betriebsanleitung des Pkw« und »Im Fahrzeugbrief«. In der Praxis würde ich in der Betriebsanleitung nachsehen – wenn dort nichts steht, dann im Fahrzeugbrief.
Ich habe Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage nach dem Beifahrer-Airbag, obwohl ich vor einiger Zeit Vater geworden bin und mich damit auskennen sollte. Knifflig finde ich auch die Frage: »Die Bremsleuchten sind ohne Funktion. Welche Ursachen können hierfür vorliegen?« Dafür glaube ich, die Frage nach den Gründen für Schleudern in Kurven recht gut beantwortet zu haben.
Ich gebe den Bogen ab, der Prüfer macht sich sogleich an die Korrektur. Um die Stimmung ein wenig aufzulockern, mache ich meinen Wildwechselwitz – worauf der Prüfer reagiert, als hätte ich ihm die Todesanzeige eines entfernten Verwandten vorgelesen. Er kringelt, er streicht, er umrandet.
Nach fünf Minuten schreibt er mein Ergebnis auf: 27 Fehlerpunkte! Durchgefallen – nicht nur mit Pauken und Trompeten, sondern mit einem kompletten Staatsorchester. Von 30 Fragen sind acht falsch beantwortet. Ich hatte schon damit gerechnet, nicht unbedingt zu bestehen, aber diese Fehlerpunktzahl erschüttert mich doch. Vor allem aber schockiert mich, dass ich bei so mancher technischen Frage richtig geraten hatte – dafür aber keine Ahnung von den Regeln im Kreisverkehr und vom Verhalten auf Landstraßen habe. Und bei vielen Verkehrszeichen habe ich keinen Schimmer, was sie bedeuten.
Ganz ehrlich: Das sind Dinge, die einem Autofahrer täglich passieren können und die er wissen muss.
Durchgefallen. Völlig zu Recht.
Natürlich mag nun mancher Leser dieser Zeilen einwenden, dass ich mich ja auf die Prüfung hätte vorbereiten können und dann wahrscheinlich ein besseres Ergebnis erzielt hätte. Ganz ehrlich: Wer von uns hat sich seit der theoretischen Prüfung auch nur ein Mal weitergebildet?
In Deutschland besitzen etwa 47 Millionen Menschen den Führerschein. Autofahrqualitäten sind wie der Verstand: Es hat sich noch niemand beschwert, zu wenig davon bekommen zu haben. Wenn man sich mit Fahrlehrern unterhält, dann ist der Tenor, dass die meisten Autofahrer bei der Prüfung durchfallen würden. Wir regen uns gerne darüber auf, dass 70 Millionen Amerikaner eine Waffe besitzen, und meinen, dass sie niemals eine haben sollten und deshalb eine Gefahr für die Mitmenschen darstellen. Über die Führerscheine, die manche Menschen keinesfalls haben sollten und die deshalb eine Gefahr für die Mitmenschen darstellen, regt sich kaum einer auf.
Es interessiert keinen.
Im Gegenteil: Ein paar Tage später unterhalte ich mich mit jemandem, der als Lobbyist für die Automobilindustrie tätig ist. Er bestätigt meine Theorie: »Keine Sorge! Solange wir unseren Job anständig machen, wird kein einziger Politiker auf die Idee kommen, etwas am Status quo zu ändern. Ältere Menschen können sich die teuren Autos leisten – und wenn sie die schneller kaputt fahren, dann brauchen sie eher wieder ein teures Auto.«
Ich bin ein paar Tage lang versucht, eine Gesetzesänderung anzustreben, Unterschriften im Internet zu sammeln und dann vielleicht sogar eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.
Doch das muss ich gar nicht – es ist alles längst geregelt.
Im Straßenverkehrsgesetz steht unter Paragraf 2, dass eine Fahrerlaubnis nur erhält, wer zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Als geeignet gilt – das ist in Punkt 3 des Paragrafen nachzulesen –, wer »die notwendigen geistigen und körperlichen Anforderungen erfüllt«, »ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat« und »über ausreichende Kenntnisse einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügt«.
Bei Punkt 8 heißt es: »Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung des Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde anordnen, dass der Antragsteller ein Gutachten oder Zeugnis […] beibringt.« Und
Weitere Kostenlose Bücher