Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
sich dann für den Verbrecher überhaupt nicht mehr lohnen könnte, noch aktiv zu sein.
Vor dem folgenden Absatz möchte ich versichern: Ich bin ein absoluter Gegner von Drogen, ich verabscheue sie sogar noch mehr als Lakritze und zu enge Unterhosen. Ich mache hier nur ein Gedankenspiel aus der Perspektive der ökonomischen Theorie der Kriminalität. Es gibt zahlreiche Werke anerkannter Ökonomen zu dem Thema, eine leicht verständliche Zusammenfassung bietet der Artikel »The Economic Case Against Drug Prohibition« der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Miron und Jeffrey Zwiebel, erschienen im Journal of Economic Perspectives . Darin werden auch gängige Vorurteile entkräftet, wie etwa der angeblich enge Zusammenhang von Drogenkonsum und Verbrechen. Zahlreiche Studien zeigen, dass es zwar eine Verbindung zwischen Drogenhandel und anderen Verbrechen wie Mord, Körperverletzung und Diebstahl gibt – dass aber etwa 80 Prozent dieser Verbrechen durch die Prohibition provoziert werden. Weil keine vor Gericht einklagbaren Verträge existieren, müssen Drogenhändler ihre Forderungen auf andere Weise durchsetzen: nämlich mit Gewalt oder zumindest der Androhung von Gewalt.
Durch eine Liberalisierung der Drogengesetze wäre es auch möglich, Qualitätsstandards einzuführen. Weil Drogen illegal sind, gibt es auch keine Vorschriften, die regulieren, wie etwa eine Marihuanazigarette, eine korrekte Dosierung und Anwendung aussehen könnte. Zahlreiche Erkrankungen, die von Politikern und Lobbyisten gerne ausgeschlachtet werden unter dem Schlagwort »Drogen machen krank«, haben weniger mit dem Konsum von Drogen zu tun als vielmehr mit qualitativ minderwertigen Produkten. Auf einem freien Markt mit festgelegten Qualitätsstandards, so viele Ökonomen, ließe sich das verhindern.
Bei der Diskussion wird auch immer wieder angeführt, dass es sich bei Marihuana um eine Einstiegsdroge handeln würde. Diese These unterstützen auch Wirtschaftswissenschaftler, sie merken jedoch an: Durch die Prohibition ist es nötig, sich an einen Dealer zu wenden, der illegal Marihuana verkauft. Mit diesem Schritt gelangt der Konsument nicht nur an die Einstiegsdroge, er hat auch gleich die Telefonnummer von dem bekommen, der ihm härtere Drogen besorgen kann.
Wissen für Nichtjuristen
Die weitverbreitete Annahme, es
sei legal, kleinere Mengen an wei
chen Drogen zu erwerben oder zu
besitzen, ist nicht korrekt. Was
legal ist, hängt von vielen Faktoren
ab. (§ 29 Betäubungsmittelgesetz)
Eine Liberalisierung würde, so die Zusammenfassung anerkannter Ökonomen, kurzfristig zu einem Anstieg des Konsums führen. Doch würden sowohl kurz- als auch langfristig die positiven Effekte für den Einzelnen und auch für die Gesellschaft überwiegen. Nur einige Beispiele: Weil die Preise deutlich fallen würden, könnte es für illegal operierende Drogenhändler unrentabel werden, ihre Beschäftigung auszuüben. Mit Drogen in Verbindung stehende Verbrechen wie Gewalttaten und Diebstähle würden zurückgehen. Auch die Kosten für die Allgemeinheit würden zurückgehen, weil bei einer Liberalisierung weniger Geld für den Kampf gegen Drogen aufgewendet werden müsste.
Das ist die Meinung vieler Ökonomen – und zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass dieses Modell durchaus erfolgreich ist. Doch kann man damit kaum im deutschen Wahlkampf punkten. Wer fordert, Hanf freizugeben, der taucht eher in einem Lied von Stefan Raab auf als in einer politischen Diskussionsrunde.
Ich bin ein Gegner von Drogen. Ich bin aber auch ein Gegner der Gesetz-drauf-und-Schluss-Methode, die meiner Meinung nach in Deutschland viel zu häufig angewandt wird. Die Diskussionen im Bundestag dienen weniger dem Meinungsaustausch – es ist Schaufenster-Parlamentarismus: Ein paar knackige Zitate, um in einer Nachrichtensendung vorzukommen. Ein paar Beschimpfungen für den politischen Gegner, obwohl dessen Ideen womöglich gar nicht so schlecht sind. Gelächter an der richtigen Stelle, wenn der Vertreter einer anderen Partei versucht, am Rednerpult zu glänzen.
Ich würde mir wünschen, dass ruhig und sachlich diskutiert würde – statt dass man stets versucht, sich mit Aktivismus und schön klingenden, letztlich aber sinnlosen Gesetzen zu profilieren. In so manchem Fall könnte sich aus einer intensiveren Diskussion ergeben, dass Liberalisierung der vernünftigere Weg ist. Nicht nur bei Drogen, auch bei zahlreichen anderen Dingen: im Straßenverkehr etwa durch die
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