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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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einem vier Seiten langen Papier Maßnahmen empfohlen, dem Rückgang entgegenzuwirken. Eine der Maßnahmen: stärkere Kontrollen im Rauschgiftbereich. Die haben den für die Quote schönen Effekt, dass es sich dabei um ein sogenanntes Kontrolldelikt handelt: Erwischt die Polizei jemanden, der mit Drogen handelt, so hat sie ihn normalerweise auch gleich dingfest gemacht. Auf der anderen Seite könnten Beamte darauf verzichten, ein schwer aufzuklärendes Delikt aufzunehmen – also eine Anzeige abzuwimmeln, um die Aufklärungsquote nicht zu gefährden. Den Beamten wurde also direkt befohlen, die Statistiken zu beschönigen.
    Ich treffe mich mit einer Polizistin, die seit mehr als einem Jahrzehnt im Dienst ist und an der Aufklärung nicht unbedeutender Fälle beteiligt war. Sie möchte weder ihren Namen in einem Buch lesen noch Details über die Fälle, an denen sie gearbeitet hat, also werde ich sie Susi nennen.
    »Diese Zahlen sind kein Abbild der Realität«, sagt sie und schüttelt den Kopf, »sie sagen auch nichts darüber aus, wie es um die Sicherheit in einem Bundesland bestellt ist. Diese Statistiken werden für politische Zwecke missbraucht, anstatt sie für interne Analysen zu nutzen.«
    Ein einfaches Beispiel: »Wenn wir bei Fußballspielen im Einsatz sind, dann haben wir eine Aufklärungsquote, die sehr hoch ist. Bei Schlägereien nehmen wir den Täter sofort fest, das ist natürlich gut für die Quote. Was aber, wenn sich zwei Fans abseits des Stadions prügeln und es niemand anzeigt? Oder wenn ein Taschendieb 20 Euro erbeutet und das Opfer von einer Anzeige absieht? Das taucht in keiner Statistik auf, die Quote bleibt überragend, obwohl es eigentlich zwei Opfer gibt und zwei Täter, die weiter frei herumlaufen. Kann man aufgrund der tollen Quote sicher sein, dass einem beim Besuch eines Fußballstadions nichts passiert? Nein, natürlich nicht!«
    Sie sagt am Ende unseres Gesprächs noch einen interessanten Satz: »Es könnte sogar sein, dass sich die Bürger aufgrund der hohen Aufklärungsquote zu sicher fühlen und auf Schutzvorkehrungen und Vorsicht verzichten. Das wäre natürlich fatal, weil es sich dadurch für Verbrecher wieder eher lohnen könnte, eine Straftat zu begehen!«
    Wissen für Nichtjuristen
    Gerichte können einen Prozess
ablehnen mit dem römisch-recht-
lichen Grundsatz Minima non curat
praetor – um Kleinigkeiten küm-
mert sich das Gericht nicht. Da
ein Prozess beim Amtsgericht den
Steuerzahler mehr als 1000 Euro
kostet, kann das Gericht ein Ver-
fahren wegen Geringfügigkeit ein
stellen. (§ 153 STPO)
    Das führt mich natürlich zu der Frage: Wie müsste denn die ideale Strafverfolgung und die ideale Bestrafung von Verbrechern wie eben mir als Schwarzfahrer aussehen? Gary Beckers Antwort: Die Entscheidung des Verbrechers wird nicht nur von der Wahrscheinlichkeit des Erwischtwerdens beeinflusst, sondern auch vom Verhalten potenzieller Opfer. Die können durch Schutzvorkehrungen ein Verbrechen erschweren. Sie können etwa in ihrem Haus eine Alarmanlage installieren, sie können bei Fußballspielen ihr Bargeld in die Unterhose stopfen. Das erschwert dem Täter die Arbeit beziehungsweise erhöht seine Kosten: Er braucht womöglich besseres Werkzeug, um in ein Haus einzudringen, womöglich muss er aufgrund der Alarmanlage auch deutlich mehr Zeit aufwenden – was einen Kriminellen letztlich überzeugen könnte, von einem Einbruch abzusehen, weil es sich für ihn einfach nicht mehr lohnt.
    Die Anschaffungen kosten aber auch das potenzielle Opfer Zeit und Geld: Es muss die Alarmanlage bezahlen, es muss aber auch in den Supermarkt fahren, um sie zu kaufen – währenddessen hätte es arbeiten oder einfach seine Freizeit genießen können. Auch in diesem Fall muss die Risikobereitschaft des Menschen berücksichtigt werden. Es gibt welche, die bauen ihr kleines Häuschen zu einer Festung um: Ich habe einmal in einem Haus gewohnt, das gesichert war wie der Geldspeicher von Onkel Dagobert.
    Bei den Täter- und Opferentscheidungen muss noch die Ausgangslage beider Individuen berücksichtigt werden, die die Risikobereitschaft beeinflussen könnte: Ein ärmerer Mensch muss eventuell riskieren, beim Schwarzfahren erwischt zu werden, weil er mit dem ergaunerten Gewinn seine Familie ernähren muss. Vereinfacht ausgedrückt: Wer wenig zu verlieren hat, ist eher dazu bereit, etwas zu riskieren.
    Der Staat greift nun nicht nur deshalb ein, weil er die Sicherheit innerhalb seiner Jurisdiktion

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