Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
viel Geld verdienen.
Doch was passiert, wenn man sich wehrt? Vor ein paar Jahren haben wir das mal getan: Meine Frau wollte den Vertrag bei ihrem Fitnessstudio kündigen, weil sie nach München zog. Ein juristisch erfahrener Freund teilte ihr mit, dass dies ohne Probleme möglich sei, weil der neue Wohnort 130 Kilometer entfernt sei und das Studio keine Dependance in München hat. Ich will den Fall kurz so schildern:
Brief meiner Frau: Ich möchte den Vertrag kündigen.
Antwort des Studios: Nein, möchten Sie nicht.
Brief meiner Frau: Doch, will ich wirklich.
Antwort des Studios: Nein, wollen Sie nicht.
Brief meiner Frau: Ich ziehe um, also kann ich das.
Antwort des Studios: Nein, können Sie nicht.
Brief meiner Frau: Sie haben kein Studio in München.
Antwort des Studios: Na und?
Brief meiner Frau: Lassen Sie mich in Ruhe!
Antwort des Studios: Nein, tun wir nicht. Wir hetzen Ihnen ab sofort einen Anwalt auf den Hals!
Dann kam das Schreiben des Anwalts mit den üblichen Floskeln und Gesetzen, es hörte sich recht unfreundlich an. Es lagen Gerichtsurteile angeblich ähnlicher Fälle bei, laut derer die Beklagten mehr als 1000 Euro bezahlen mussten. Der Brief endete mit einer meiner Lieblingsformulierungen: »Bitte bezahlen Sie weiter Ihren Beitrag, da die Kündigung rechtlich nicht haltbar ist. Durch Bezahlen können Sie einen langwierigen und möglicherweise teuren Rechtsstreit verhindern.«
Wissen für Nichtjuristen
Jeder darf selbst mitgebrachte
Getränke im Fitnessstudio konsu-
mieren. Die Verbotsklauseln in den
Verträgen oder auf Schildern sind
unwirksam. Es dürfen nur Glas-
flaschen aus Sicherheitsgründen
untersagt werden. (§ 307 BGB)
Ismayr sagt zu dem Fall: »Fantastischer Anwalt, der kämpft für seinen Klienten. Die meisten geben an diesem Punkt auf. Herrlich!«
Ich wollte damals tatsächlich aufgeben, doch Hanni lehnte ab: »Die Fälle, die da beigelegt wurden, haben doch mit meiner Sache überhaupt nichts zu tun!«
Ich sah mir die Fälle an: Einer handelte von einem Umzug innerhalb der Stadt, ein anderer von einer ungewollten Schwangerschaft, ein dritter von einer Kündigung komplett ohne Grund.
Brief meiner Frau: Sie sind im Unrecht, lassen Sie mich in Ruhe!
Die Antwort des Anwalts: Nein, tun wir nicht!
Meine Frau legte zwei Urteile aus tatsächlich sehr ähnlichen Fällen bei. Und wir mussten tatsächlich einen Anwalt fragen, ob er uns nicht einen kleinen Brief aufsetzen könne. Das tat er – und wir haben nie wieder etwas vom anderen Anwalt und vom Fitnessstudio gehört.
»Fantastisch, Ihre Frau! Eine echte Beißerin«, sagt Ismayr.
Was wir durch den Fall gelernt haben: Liebe Leute, seid bitte nicht so unglaublich naiv und ängstlich, wenn Ihr einen Brief von einem Anwalt bekommt! Mahatma Gandhi sagte einst: »Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren; und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren.« Bleibt ruhig, atmet durch – und kontaktiert einen Anwalt.
Seitdem sind wir aus einem Handyvertrag herausgekommen – nach einem ganz wunderbaren Briefwechsel und etwa 50 Telefonaten mit der Telekom, die es durchaus verdient hätten, in einem Sketch von Gerhard Polt vorzukommen. Wir haben einen Festnetzanschluss gekündigt nach einem Streit mit dem Anbieter, wir haben unseren Internet-Anbieter gewechselt und haben das Abonnement für einen Bezahlsender gekündigt – es war immer das gleiche Prozedere: Brief meiner Frau, Antwort des Unternehmens, Brief meiner Frau, böses Schreiben von einem Anwalt, böser Brief meiner Frau mithilfe eines Anwalts – und wir haben nie wieder etwas davon gehört.
In Deutschland wird alles abgemahnt, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist – und der Rest wird heruntergeschüttelt und wegen illegalen Besteigens von Bäumen abgemahnt. In vielen Unternehmen arbeiten Armeen von Anwälten, die darauf spezialisiert sind, jede noch so kleine Schlacht zu gewinnen. »Und wir nutzen auch den psychologischen Vorteil«, sagt Ismayr: »Wer geht schon gerne zum Anwalt und erklärt ihm, dass er wegen des Herunterladens pornografischer Seiten verklagt wird – und muss dann zugeben, dass er das Zeug tatsächlich heruntergeladen hat? Da bezahlt er lieber gleich, und die Sache ist gegessen.«
Es ist ein Spiel mit der Unwissenheit und dem Schamgefühl der Menschen.
Der Einzelne ist meistens der Dumme. Oder etwa nicht?
Ich finde, es ist an der Zeit, einfach mal zurückzuschlagen und eine kleine Rebellion zu
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