Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Ordnungs-
widrigkeit.
Meine Frau hat deshalb ein Problem: Sie hat nicht nur ein Kind, das in der Wohnung herumtobt, Sachen kaputt macht und niemals aufräumt – sie hat auch noch einen drei Jahre alten Sohn.
Finn und ich sind die Terminatoren des Kleinraum-Designs, die Guerilla-Terroristen der Innenarchitektur. Wenn beim Indoor-Fußball etwas kaputtgeht, dann nennen wir das »Tooooor«, meine Frau nennt es »mutwillige Zerstörung«. Sagen wir es so: Da wir offensiv spielen, fallen sehr viele Tore. Die Couch ist eine Wrestling-Arena, der Gang eignet sich herausragend zum Hürdenlauf. Medaillen-Zeremonien finden auf dem Hocker statt. Finn legt sehr viel wert auf Realismus, also wird beim Basketball das komplette Intro der Bayernkorbjäger gespielt und bei olympischen Wettbewerben dröhnt die Melodie von London 2012 aus den Boxen.
Aus diesem Grund schließen Menschen Versicherungen ab. Einen Schaden muss nicht der Einzelne bezahlen, sondern er kann sich darauf verlassen, dass sich die Gemeinschaft daran beteiligt. Auf diese Weise ist niemand ruiniert, nur weil er mit seinem Auto einen Unfall baut, eine Operation benötigt – oder eine 6:9-Niederlage gegen seinen Sohn in der zweiten Runde des Socken-Fußballturniers hinnehmen muss. Versicherungen sind eine prima Sache.
Wissen für Nichtjuristen
Für Zuzahlungen gibt es eine
Belastungsgrenze, die bei zwei
Prozent der jährlichen Brutto-
einnahmen zum Lebensunterhalt
liegt (chronisch Kranke: ein Pro-
zent). Eine Prüfung lohnt oftmals.
Menschen jedoch, die Versicherungen verkaufen, lassen sich grundsätzlich in zwei Spezies unterteilen: Den einen hat die Natur statt eines Herzens einen Stein verpasst. Wer eine Versicherung möchte, der wird bezirzt und umworben wie eine attraktive Frau in einer Bar auf dem Ballermann. Wer jedoch nach Abschluss des Vertrags etwas von einem Versicherer haben möchte, ist ungefähr so beliebt wie eine Frau mit Selbstachtung in einer Bar auf dem Ballermann. Wenn man anruft und einen Schaden melden möchte, sind sie entweder nicht erreichbar, nicht zuständig oder sagen mit dem Tonfall eines sarkastischen Grundschullehrers: »Für diesen Fall sind Sie nicht versichert.«
»Versicherer sind die größten Schweine«, sagt ein befreundeter Richter, der mit diesen Fällen zu hat: »Die vertrauen darauf, dass nicht einmal 30 Prozent der Menschen sich gegen einen solchen Bescheid wehren. Damit verdienen die ihr Geld.« Wer sich wehrt, bekommt oft sofort den Bescheid: »Das Geld wird angewiesen.« Die Versicherer würden gar nicht protestieren, weil sie wüssten, dass sie im Unrecht sind. Nur in seltenen Fällen käme es tatsächlich zu einer Gerichtsverhandlung.
Für dumm verkauft wird der, der sich nicht wehrt.
Den anderen hat die Natur statt eines Steins ein schwarzes Loch überreicht. Sie tun zwar so, als wären sie die Freunde des Versicherten, in Wirklichkeit sind sie aber einfach nur schlechte Menschen – zumindest die meisten von ihnen. Von ihnen hört man Sätze wie »Das regle ich für Sie«, gefolgt von dem Ausspruch: »Wir müssen das nur ein wenig anders regeln.«
Die meisten Versicherten halten diese Menschen nicht für Verbrecher, sondern für Freunde. Als einmal eine Fensterscheibe zu Bruch ging, weil ich versucht habe, einen Schrank zu verschieben, war der Rat des Versicherungsagenten: »Da sagen wir, dass es ein Windstoß war, dann gibt es das Geld ohne Probleme.« Er gab mir sogar Ratschläge, aus welchem Winkel ich das Foto machen und welche Formulierungen ich verwenden soll. Als meine Nachbarin mein Motorrad umgefahren hatte, half er uns, »möglichst viel Kohle rauszuholen«: Ich sollte auch die Kratzer, die schon vorhanden waren, dem Unfall ankreiden – und natürlich auch die Lenkstange, die ich schon Monate zuvor verbogen hatte. Das würde dem Gutachter niemals auffallen. Und als ich einmal einen Flug absagen musste und herausfinden wollte, ob die viel gepriesene Reiserücktrittsversicherung greifen würde, da bekam ich den Rat: »Haben Sie keinen Freund, der Arzt ist und Ihnen eine Krankheit attestiert? Das würde in unserem Fall helfen.« Er gab noch schnell an, einen ganz wunderbaren Arzt zu kennen, der einem jede Krankheit attestiert, sollte ich »keinen an der Hand haben«.
Diese Menschen sprechen immer von »wir«, wenn es darum geht, Geld zu bekommen – ähnlich wie die Bild -Zeitung in Falle einer erfolgreichen Nationalelf oder günstigen Papstwahl auch immer von »wir« spricht.
Nicht schön ist:
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