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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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ruft. Er begegnet einem freundlich im Hausgang und leiht einem auch gerne mal ein Stück Fleisch, ohne selbst aufdringlich zu werden. Zum Grillen bringt er Champagner mit und unterhält die anderen Gäste mit witzigen Anekdötchen. So einer kann Menschen einreden, dass Rauchen eine kerngesunde Sache sei und dass das Schlagen von Frauen durchaus zur Beruhigung der männlichen Seele beitragen kann. Lässt man so einen Menschen länger als fünf Minuten reden, dann würde man ihm dessen Großmutter abkaufen. Das Schlimme an solchen Menschen: Sie würden einem ihre Großmutter sogar verkaufen.
    Wissen für Nichtjuristen
    Die Erstberatung bei einem
Rechtsanwalt darf lauf Rechts-
anwaltsvergütungsgesetz nicht
mehr als 190 Euro plus Steuern
kosten. Viele Kanzleien bieten
den Service für 20 Euro an.
    Auf meine kurze Einstiegsfrage hält er einen Vortrag, der exakt zehn Minuten dauert. Er spricht von Gaunereien, die gestoppt werden müssten, von der Ungeheuerlichkeit, dass Menschen ehrlichen Künstlern das geistige Eigentum klauen würden, und von der Dreistigkeit, das am Ende nicht einmal zugeben zu wollen. Er echauffiert sich über die Regierung, die seinen hehren Kampf gegen die Internet-Piraterie nicht unterstützen würde, und räsoniert über die Pflicht, gegen diese bösen Menschen vorzugehen. Er schließt seinen Vortrag mit dem Satz: »Die größte Gefahr im Internet sind nicht Firmen oder Hacker oder Viren, sondern die ganz normalen Nutzer.«
    Ich bin tatsächlich versucht aufzuspringen und zu brüllen: »Jawohl, zeigen Sie es den Kerlen!«
    Von dieser Kanzlei aus sind im Jahr 2011 mehr als 20000 Briefe mit Abmahnungen verschickt worden, ein Jahr später waren es schon 35000. Dazu gab es Überlegungen, von einem Anbieter für pornografische Filme Daten zu kaufen, die Nutzer zu ermitteln und diese dann auszunehmen. Die Idee: Abmahnungen verschicken und dazu ankündigen, die Namen ins Internet zu stellen. Klar: Wer lässt sich schon gerne als exzessiver Nutzer pornografischer Seiten outen? Also lieber mal bezahlen. »Wäre ein tolles Geschäft«, sagt er. Aber eine andere Kanzlei sei ihm zuvorgekommen und habe damit für einen kleinen Skandal gesorgt.
    Bei manchen Abmahnungen geht es darum, dass sich jemand im Internet ein Lied heruntergeladen hat, andere werden zugestellt, weil da doch wirklich jemand seinen Handyvertrag fristgerecht gekündigt hat. Hin und wieder geht es um ein Fitnessstudio, das seinen Kunden zum Verbleib zwingen möchte, und nicht selten einfach darum, dass ein Kleinunternehmer auf seiner Homepage kein vollständiges Impressum eingestellt oder bei Ebay eine Garantie vergessen hat. Schon wird abgemahnt.
    Ein Kollege von mir bekam von Ismayr eine Abmahnung in Höhe von mehr als 1000 Euro. Er habe sich ein Album heruntergeladen und müsse nun bezahlen. Es war exakt aufgelistet, an welchem Tag er sich welches Album heruntergeladen hat – also: 21. August, neues Album von Coldplay. Mein Kollege und sein Mitbewohner waren zu diesem Zeitpunkt auf Südamerikareise. Egal, sagt der Anwalt. Wem der Anschluss gehört, der muss bezahlen. Und das musste schließlich die argentinische Untermieterin, die den Computer genutzt hatte. 1000 Euro für ein Album. »Alles reibungslos«, sagt Ismayr.
    Im Jahr 2012 wurden in Deutschland mehr als 4,3 Millionen Abmahnungen verschickt, die Zahl wird weiterhin deutlich steigen. Bei einer Summe, die sich laut Ismayr auf »durchschnittlich etwa 1500 Euro pro Abmahnung« beläuft, sind das Forderungen von 6,45 Milliarden Euro pro Jahr. Und die Mahner können gut davon leben. »Mir geht es gut«, sagt Ismayr.
    Abmahnungen sind eigentlich eine vernünftige Sache. Sie wurden einst eingeführt, damit Streitigkeiten ohne teure Gerichtsverfahren beigelegt werden können. Vereinfacht ausgedrückt läuft es so: Der Geschädigte teilt dem Bösewicht mit, dass er unzweifelhaft geschädigt wurde – meist verfasst ein Anwalt das Anschreiben. Der Übeltäter bezahlt den entstandenen Schaden und auch den Rechtsanwalt, die Sache ist schnell erledigt. Ohne Bürokratie, ohne zusätzliche Kosten.
    (Un-)Wichtiges Wissen
    Ein Anwalt versteht sich nicht
unbedingt als Anwalt des Rechts,
sondern als Anwalt seines
Klienten.
    Aus einer vernünftigen Sache ist ein Spiel mit der Naivität und der Unwissenheit vieler Menschen geworden – ein äußerst lukratives Spiel.
    Wer sich nicht wehrt, ist der Dumme – und Abmahner und andere Unternehmen vertrauen darauf, dass es viele Dumme gibt, mit denen sie

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