Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
genug, es war perfekt zubereitet und schmeckte herausragend. Nur mein Magen und mein Cholesterin beschweren sich gerade, warum sie im Körper eines derart verfressenen Menschen gefangen sind, und bestehen darauf, im nächsten Leben in Claudia Schiffer wiedergeboren zu werden.
Als wir unsere Jacken zurückfordern, stellt sich wie geplant heraus, dass sie weg sind. Wir haben einen Freund gebeten, ebenfalls das Restaurant zu besuchen und am Ende einfach unsere Jacken statt seiner mitzunehmen. Das ist gemein – aber es geht hier darum, etwas zu beweisen, und nicht darum, nett zu sein. Meine Frau findet mich peinlich und besteht darauf, vor dem Restaurant warten zu dürfen. Der Besitzer des Restaurants eilt herbei. »Das tut mir sehr leid«, sagt er, »wir werden da schon eine Lösung finden. Haben Sie noch einmal nachgesehen, ob die Jacken nicht umgehängt wurden? Das ist mir wirklich peinlich. So etwas ist in unserem Haus wirklich noch nicht passiert.« Er reagiert derart nett, dass es mir schwerfällt, meine Mission durchzuziehen.
(Un-)Wichtiges Wissen
Es ist vollkommen unerheblich,
wie oft man nach der Rechnung
fragt, die Drei-Mal-Fragen-Regel
ist Quatsch. Ist die Rechnung nach
15 Minuten nicht da, darf man
das Lokal verlassen – allerdings
ist man verpflichtet, Namen und
Adresse zu hinterlassen, sonst
gilt es als Zechprellerei.
»Welche Lösung?«, frage ich. »Sie müssen mir die Jacken ersetzen. Beide waren Weihnachtsgeschenke unserer Eltern! Die bedeuten uns etwas.« Ich versuche, sowohl empört als auch mitleiderregend zu wirken. »Meine Eltern haben monatelang nach so einer Jacke gesucht und ziemlich viel Geld ausgegeben.« Würde nun eine Träne aus meinem linken Auge kullern, könnte ich bei der nächsten Oscar-Verleihung der Academy danken.
Der Besitzer des Wirtshauses sagt: »Wir haften nicht für die Garderobe, tut mir leid – aber ich bin bereit, Ihnen einen Gutschein auszustellen. Es tut mir wirklich sehr leid, dass die Jacken nicht mehr da sind.«
»Natürlich haften Sie für die Garderobe! Ich konnte die Garderobe nicht sehen – also haften Sie, egal, ob da ein Schild hängt oder nicht! Das ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in den Paragrafen 205 Absatz 2, 307 Absatz 1 und 690 geregelt.«
Es ist manchmal ein herrliches Gefühl, Paragrafen zu zitieren. Jura kann tatsächlich Spaß machen, wenn man weiß, wie man Spaß damit haben kann.
Paragrafen auswendig lernen: 30 Minuten.
Zwei neue Jacken: 620 Euro.
Das Gesicht des Wirts: unbezahlbar.
»Ich wollte Ihnen gerade einen Vorschlag zur Güte machen.«
»Und ich wollte Sie bitten, mir 620 Euro zu bezahlen. Ich kann auch gerne die Polizei rufen.«
»Es kann doch nicht sein, dass ich für die Jacken bezahlen muss!«
Wissen für Nichtjuristen
Biergläser müssen bis zum Eich-
strich gefüllt sein – der Schaum
zählt nicht mit. Wenn bei einer
Maß der Liter nicht erreicht ist,
muss nachgeschenkt werden.
(§§ 433, 437, 439 und 440 BGB)
Er wirkt verärgert – aber sieht anscheinend auch ein, dass ich recht habe. Zur Unterstützung meines Arguments zücke ich das BGB , das ich für alle Fälle eingepackt habe – und ich habe auch mehrere Zeitungsartikel dabei, die bestätigen, dass er für meine Jacken verantwortlich ist und den Verlust bezahlen muss. Er schüttelt den Kopf.
»Das wusste ich nicht! Ich muss mich wohl bei Ihnen entschuldigen.« Das sagt er, nachdem er die Paragrafen und die Artikel durchgelesen hat.
Ich kann nicht mehr.
»Ich muss etwas gestehen: Es waren meine Freunde, die unsere Jacken mitgenommen haben – ich wollte nur sehen, wie Sie reagieren. Ich habe vorhin auch das Steak gewogen – da war alles in Ordnung. Ich finde es generös von Ihnen, dass Sie bezahlen wollten. Eigentlich ist das eine schöne Geschäftsidee: Jacken in Restaurants klauen lassen.«
Er sieht mich verärgert an.
»Sie müssen nichts bezahlen, keine Sorge!«
»Sind Sie noch zu retten? Hier brummt der Laden, wir sind total ausgebucht – und Sie nerven mich hier fast eine halbe Stunde lang? Spinnen Sie denn total? Hier sind alle am Rotieren, und Sie quatschen mich voll wegen Jacken, die überhaupt nicht gestohlen wurden? Schauen Sie bloß, dass Sie Land gewinnen! Also so was!«
Ein köstliches Steak mit Beilagen: 39 Euro.
Eine Flasche Châteauneuf-du-Pape: 47 Euro.
Weder Steak noch Wein jemals wiederzubekommen aufgrund eines doofen Buchprojekts: unbezahlbar.
Es ist manchmal kein herrliches Gefühl, Paragrafen zu zitieren. Andererseits: Wären
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