Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
Vom Netzwerk:
die Jacken wirklich gestohlen worden, hätte der Wirt sie wirklich ersetzen müssen. Das weiß nur kaum jemand.
    Ich wende mich nun der flüssigen Gastronomie zu.
    Ich gehe mit Freunden in eine Kneipe – und achte bei jeder Bestellung darauf, dass auch tatsächlich ein halber Liter in dem Glas eingeschenkt ist. Das geht jedoch lediglich zwei Runden lang gut, weil meine Freunde dann nur noch Flaschenbier bestellen. Ich bin ihnen peinlich. Die Bedienung ist langsam und unfreundlich, weshalb meine Freunde beschließen, auf Trinkgeld zu verzichten. Ich überlege, ob man nicht vielleicht ein wenig weitergehen kann.
    (Un-)Wichtiges Wissen
    Unfreundlichkeit ist kein Kri-
terium, eine Minderung wegen
mangelnden Services zu verlan-
gen. Es braucht objektiv nach-
weisbare Gründe: Wer etwa mehr
als 90 Minuten aufs Essen warten
muss, der kann Minderung ver-
langen. Bei Getränken sind es
gar nur 20 Minuten.
    Ich lasse den Barchef rufen und erkläre ihm, dass die Bedienung unfreundlich gewesen sei und wir zudem länger als 20 Minuten auf unsere Bestellung warten mussten. Meine Freunde schämen sich, als wäre ich gerade nackt durch das Lokal geflitzt.
    Der Barchef sagt gelangweilt: »Geht aufs Haus!«
    Meine Freunde bestehen darauf, die Bar zu verlassen. Ihre Begründung: Was helfen einem Freigetränke, wenn das nächste Bier eine schleimige Konsistenz hat oder nach Spucke schmeckt?
    Die Botschaft »Der Kunde ist König« wurde in vielen Bars und Clubs ersetzt durch »Halte die Klappe, oder ich spucke dir ins Bier«.
    Wir gehen in eine Cocktailbar, ich bestelle einen Mai Tai, einen meiner Lieblingsdrinks. Er besteht aus Rum, Curaçao Orange, Orgeat, Zuckersirup und Limettensaft – in diesem Glas ist keine einzige dieser Zutaten.
    Mein Getränk schmeckt wie eines dieser hypergesunden Gesöffe, die man im Fitnessstudio bekommt, wenn der Trainer bestellt. Man weiß dann: Was derart scheußlich schmeckt, muss gesund sein.
    »Entschuldigung«, sage ich zum Barkeeper, der sich lieber auf die Frauen an der Bar konzentriert als auf die Zutaten in den Gläsern, »das ist kein Mai Tai, das ist ein Vitaminshake. Der lässt mich wach werden, aber nicht betrunken. Können Sie mir bitte einen neuen machen – diesmal aber mit Rum und Limettensaft!«
    Wissen für Nichtjuristen
    Ein Wirt muss Essen, das dem
Gast nicht schmeckt, nicht zurück-
nehmen. Geschmack ist kein ob-
jektiver Maßstab. Es braucht einen
objektivierbaren Grund, etwa dass
die Speise versalzen oder ver-
brannt ist. (§§ 433, 437, 439, 440
und 651 BGB)
    Er nimmt das Glas ohne Murren und mixt einen neuen Cocktail – offenbar ist ihm das schon öfter passiert. Ich beobachte ihn dennoch, als wäre ich der Jäger des verlorenen Alkohols. Zum einen will ich sehen, was genau er da ins Glas schüttet, zum anderen möchte ich sichergehen, dass er nicht seine Spucke als eine der Zutaten verwendet. Er schüttet Rum hinein, allerdings so wenig, dass eine homöopathische Dosis als Überfluss gelten würde. Dazu irgendein Gemisch aus einer Plastikpackung und ein bisschen Zitronensaft. Während er schüttelt, zwinkert er einer Frau an der Bar zu, die offensichtlich sehr zufrieden mit ihrem Drink ist. Dann stellt er mir das Glas hin.
    »Willst du mich verarschen?«, frage ich. »Ich möchte einen Cocktail und nicht nur den Tail!«
    »Wie bitte?«
    Er zwinkert der Frau wieder zu – als wollte er ihr zeigen, wie cool er diesen komischen Gast abfertigte.
    »Einen anständigen Mai Tai, also einen mit Alkohol – und weil du nun drei Versuche gebraucht hast, wäre eine Runde des stärksten Getränks eine angemessene Entschädigung, oder?«
    Er hebt die Augenbrauen: »In der Happy Hour sind die Cocktails nicht so stark.«
    »Sagt wer?«
    »Das weiß doch jeder! Ist Anweisung vom Chef!«
    »Das ist aber illegal – man kann einen anständig gemixten Cocktail verlangen, auch zur Happy Hour.«
    Ich hole mein BGB aus der Tasche und zeige ihm die Paragrafen, ich habe auch noch das Original-Mai-Tai-Rezept dabei. Meine Freunde tun derweil, als wäre ich ein verrückter Stalker, der ihnen in die Bar gefolgt ist. Der Barkeeper sieht auf Rezept und Gesetz: »Wir bereiten die hier normalerweise anders zu. Ich mische dir einen, wie du magst, und du bekommst noch ein Glas mit dem stärksten Schnaps, den wir hier haben.«
    Meine Freunde tun mittlerweile so, als hätte ich ein Elixier genommen, das mich unsichtbar macht. Nach einigen Minuten habe ich meinen Cocktail in der Hand und dazu ein Glas mit einer

Weitere Kostenlose Bücher