Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
durchsichtigen Flüssigkeit.
»Slibowitz«, sagt er.
Ich kippe die Flüssigkeit hinunter und bin zufrieden – zumindest eine Minute lang. Dann wird mir schwummrig, ich sehe nichts mehr, und ich merke, wie meine Knie zu Pudding werden. Ich schaffe es gerade noch auf die Toilette, wo ich mich meiner Meinung nach fünf Minuten sammle. Als ich wieder zurückkomme, fragen mich meine Kumpels, wo zur Hölle ich die vergangene halbe Stunde gewesen bin. Zwei sind schon gegangen.
Der Barkeeper grinst: »72 Umdrehungen – du wolltest das Stärkste.«
Wir bleiben noch zwei Stunden, irgendwann ist meine Sehkraft wieder da. Adam und ich sind die Letzten, die noch übrig geblieben sind, die anderen sind aus fadenscheinigen (Arbeit), unsinnigen (Müdigkeit) und durchaus nachvollziehbaren (Freundin im Nachthemd) nach Hause gegangen. Ich bleibe immer bis zum Ende, ich bin der Großrechner des Weggehens: entweder eins oder null.
Adam und ich haben nur Mai Tai getrunken, dennoch sagt der Barkeeper: »Da sind noch zwei Cuba Libre offen, die haben eure Freunde vergessen.«
Ich sage: »Na und?«
»Könnt ihr die schnell mitbezahlen? Ihr wisst schon: Der Letzte zahlt die Rechnung!«
Das ist wie ein Elfmeter für mich. Der Spruch mit dem Letzten und der Zeche ist nämlich ebenso falsch wie der mit der Garderobe und der Haftung. Es ist die Aufgabe des Wirts, Einzelrechnungen zu führen und jeden Gast korrekt abzukassieren. Der Gast muss sich nicht einmal merken, wie viel er getrunken hat – auch das ist Aufgabe des Wirts.
»Das stimmt nicht, der Letzte zahlt überhaupt nicht!«
»Aber der Adam zahlt.«
Während ich mir eine Strategie überlegt habe, meine Meinung zu begründen, hat Adam längst die Getränke der anderen bezahlt und führt mich nun nach draußen: »Nur weil du im Recht bist, musst du noch kein Vollidiot sein. Wir haben das getrunken, und wir bezahlen es auch. Die anderen geben uns beim nächsten Mal einen aus. Es wird Zeit, dass dein Projekt vorbei ist. Du bist wirklich zu einem schrecklichen Pedanten geworden.«
Es stimmt: Ich bin so ungenießbar wie mancher Cocktail. Ich muss aufhören, wie ein Pedant daherzukommen.
Ich sehe ihn an: »Aber wenn wir in einer Auster mal eine Perle finden, dann stecken wir sie einfach ein und gehen heim.«
»Das tun wir«, sagt er – und setzt mich in ein Taxi.
Kapitel 16 Du lebender Ödipuskomplex!
Meine Frau hat es nicht immer leicht mit mir. Sie hat mich nur deshalb geheiratet, weil sie gehofft hat, mich mit ihren erzieherischen Fähigkeiten irgendwann zu einem besseren Menschen zu machen, doch es funktioniert nicht wirklich. Ich bin immer noch derselbe Flegel, den sie vor mehr als einem Jahrzehnt kennengelernt hat. Was meine Frau besonders stört: Ich verwende zu viele Schimpfwörter.
(Un-)Wichtiges Wissen
Dieter Bohlen wurde einmal frei-
gesprochen, obwohl er einen
Beamten gegen dessen Willen ge-
duzt hatte. Begründung: Bohlen
sei es gewöhnt, jeden Menschen
zu duzen.
Ich bin ein Anhänger von Direkt-Deutsch, ich sage gerne, was ich denke – und ich verwende dabei gerne die Worte, die mir gerade einfallen. Mir ist durchaus bewusst, dass ich dabei meistens nicht nur einen Schritt zu weit gehe. Der Publizist Wolf Schneider erfand in der Fernsehsendung NDR Talkshow gar den Neologismus »Arschlöcherei«.
Damit ist nun Schluss: keine Schimpfwörter und Beleidigungen mehr, ein Jahr lang. Das hat sich nicht nur meine Frau verdient, es ist auch meinem Sohn geschuldet, der sich mittlerweile in einem Alter befindet, in dem er alles toll findet, was sein Vater macht – was meine Frau übrigens als »gefährlichste Zeit in Finns Leben« bezeichnet.
Er hat sich zu einem menschlichen Papagei entwickelt, der alles nachplappert, was sein Vater sagt. Beim Basketball etwa: »Scheiß-Pass!« Wenn ich ihm dann erkläre, dass es zu den Hobbys von Steffen Hamann gehört, schlechte Pässe zu seinen Kollegen zu spielen, dann fragt er: »Warum sagst du nicht schlechte Pässe, sondern dauernd Scheiß-Pässe?« Was soll man da antworten außer: »Okay, in Zukunft sage ich, dass die Pässe schlecht sind.«
Beleidigungen gehören zum täglichen Leben, von manchen Menschen werden sie sogar erwartet. Muhammad Ali ist nicht nur deshalb berühmt, weil er schwebte wie ein Schmetterling und stach wie eine Biene, sondern auch deshalb, weil er Sätze sagte wie: »Sonny Liston ist so hässlich, wenn er weint, dann laufen die Tränen seinen Hinterkopf hinunter.« Von Joschka Fischer wird dereinst
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