Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit einem Bein im Modelbusiness

Mit einem Bein im Modelbusiness

Titel: Mit einem Bein im Modelbusiness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Mario und Amend Galla
Vom Netzwerk:
das alles unendlich leid.
    » Alles in bester Ordnung«, beteuerte ich immer wieder. War es auch. Jedenfalls für mich. Für die Crew war ich jedoch ab sofort ein Stressfaktor, da sie offensichtlich keine Erfahrungswerte hatten und überhaupt nicht wussten, wie sie mit meiner Behinderung umgehen sollten. Ich nahm es sportlich. Außerdem traf sie ja keine Schuld.
    Offenbar hatte meine Agentur den klitzekleinen Umstand, dass ich eine Orthese trage, nicht ganz so klar kommuniziert, wie sie es besser hätte tun sollen, und in Kombination mit meinem doch sehr kurzfristigen Engagement hatte das hier tatsächlich niemand auf dem Zettel. Frank, der Chefbooker für Male Models, verriet mir im Nachhinein, dass er in seinen fünfundzwanzig Berufsjahren noch nie so krass von einem Kunden zur Schnecke gemacht worden war. Die Leute von HUGO BOSS waren stinksauer, dass man sie nicht über mein Handicap informiert hatte – übrigens völlig zu Recht, wie ich finde.
    Allerdings hieß es auch: Wie könnt ihr es diesem armen Jungen nur antun, ihn hierherzuschicken? In solchen Momenten würde ich am liebsten aufspringen und alle mal so richtig durchschütteln. » Hey Leute, entspannt euch!«, möchte ich dann rufen. » Ich wurde nicht von einer Horde Crackjunkies zehn Jahre lang fünfmal am Tag vergewaltigt und in einen dunklen Schrank gesperrt, sondern ich habe nur ein halbes Bein weniger als ihr. No big deal!« Ich weiß aber, dass es nichts bringen würde, so etwas zu sagen, da für nichtbehinderte Menschen quasi alles, was ich mache, ein big deal ist.
    Es ist doch so: Wenn du etwas nicht ändern kannst, dann ändere die Art, wie du darüber denkst. Und da war ich klar im Vorteil. Ich hatte 25 Jahre lang Zeit, mich an meine Situation zu gewöhnen, weswegen mich heute jegliche Aufregung in dieser Hinsicht völlig kalt lässt. Was soll ich denn machen? Ich bin, wie ich bin.
    Der Fitting-Room füllte sich langsam. Immer mehr Leute kamen herein, um sich um mich zu kümmern. Alle dachten, ich sei in der schwierigsten Situation meines Lebens, und obwohl ich immer wieder beteuerte, dass es mir gut ginge und ich diese besondere Art der Aufmerksamkeit gar nicht brauchte, blieben die Augen des Mitleids stets auf mich gerichtet. Nach einer Weile gefiel es mir sogar ein bisschen, denn diese Sonderbehandlung war sonst nur den Superstars vorbehalten.
    Die anderen Models bekamen das natürlich auch mit, und ein paar schauten sogar kurz um die Ecke, aber viel mehr als einige neidische Blicke kam nicht bei mir an. Schon witzig, wenn man sich überlegt, worauf genau sie eigentlich eifersüchtig waren. Keiner von ihnen hätte mit mir tauschen wollen, und doch sah ich die Missgunst in ihren Gesichtern.
    Allüren und Verunsicherung
    Während all des Trubels um den armen behinderten Jungen blieb mir noch genug Zeit, das zweite männliche Model zu beobachten, das in der anderen Ecke des Fitting-Rooms saß und mit dem ich mir schon das Shuttle hierher geteilt hatte: Dave Chappell – der krasseste Rockstar von allen!
    Vor der Abfahrt vom Hotel erwähnte ein Mitarbeiter von HUGO BOSS bereits, dass ich mit ihm im gleichen Bus fahren würde. Ich wunderte mich, denn beim Namen Dave Chappell kam mir sofort der bekannte amerikanische Comedian in den Sinn.
    » Ist ja abgefahren, was macht der denn hier?«, freute ich mich.
    » Na, was wohl? Das Gleiche wie du«, sagte der Typ.
    Selbst mit viel Fantasie konnte ich mir das nicht vorstellen, und als Dave Chappell sich dann mit leichter Verspätung zu mir ins Shuttle setzte, löste sich das Rätsel von selbst – sie waren lediglich Namensvettern. Dave sah ein bisschen aus wie Keanu Reeves mit langen Haaren. Ich grinste in mich hinein und überlegte schon, wie ich den I’m Rick James, bitch! Cocain is a hell of a drug -Spruch bringen könnte, aber da wir während der ganzen Fahrt kein einziges Wort miteinander wechselten, traute ich mich am Ende doch nicht.
    Im Moment hatte die Crew, die für ihn zuständig war, alle Hände voll zu tun, ihn überhaupt motivieren zu können, ein paar Klamotten anzuprobieren. Ihm schien alles scheißegal zu sein. Vielleicht gehörte das zu seiner Show, aber wie er in seinem Stuhl hing, mit einem amtlichen Kater im Gepäck, und übertrieben auf Asi machte, war … na ja, sagen wir so: interessant zu beobachten. Denn obwohl er sich nicht gerade wie ein Gentleman aufführte, wurde er ständig gelobt.
    Die Casting-Direktorin stand neben ihm und machte sogar noch ihre Scherze: » Ihr habt

Weitere Kostenlose Bücher