Mit einem Bein im Modelbusiness
wollte. Und als alle erst richtig zu feiern begannen, musste ich die Party schon wieder verlassen.
Ich ließ mich von einem Shuttle zurück ins Hotel bringen. Dieses Business war genau so, wie ich es mir immer vorgestellt hatte: schöne Menschen, arrogante Arschlöcher, geile Klamotten, jede Menge Glamour und Glitzer, Fotografen, die permanent um einen herumschwirren, und große Modehäuser, deren Spesenbudgets nach oben offen sind – schöne heile Welt.
Neben mir im Shuttle saß eine Mitarbeiterin des Hotels, die wie ich in wenigen Stunden wieder aufstehen musste. Als wir uns verabschiedeten, lächelte sie und sagte: » Auf Wiedersehen, Herr Galla. Wir sehen uns dann nächstes Jahr wieder.«
» Wirklich?«
Ich war baff.
» Ja, die bei BOSS buchen doch immer die gleichen Gesichter.«
» Echt, ja?«, freute ich mich. » Wie geil ist das denn!«
» Jaja«, nuschelte sie müde. » Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
» Ebenfalls, ebenfalls.«
Juhu!
Es war kurz vor Mitternacht. Ich schaute aus dem Fenster in den Abendhimmel. Er war dunkel und klar. Kein einziger Stern war zu sehen. Ich hatte einen Köder ins Wasser geworfen, schipperte mit meinem kleinen Holzboot ein paar Mal um den See und hatte auf einmal einen riesigen Fisch am Haken. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich dieses Erfolgserlebnis nicht so schnell gehabt hätte. Doch was interessierten mich diese Spekulationen? Jetzt hatte ich, im Gegensatz zu früher, die Flinte eben nicht ins Korn geworfen. Einzig und alleine das zählte. Und ich wollte mehr.
Auf dem Bett fand ich als Abschiedsgeschenk den aktuellen Duft von BOSS , der immer noch ungeöffnet als Andenken zu Hause in meinem Regal steht, und eine Grußkarte. Ich stellte den Wecker auf 5 Uhr, rief Lea kurz an und ließ mich hundemüde, aber überglücklich auf die Matratze sinken.
Mario, der Waldelb
Mein Stiefvater wartete schon am Gate. Ich schaute nervös auf meine Uhr. In zehn Minuten musste ich im Büro sein.
» Scheiße, das schaffst du niemals«, fluchte ich lautstark, während André mir den Koffer abnahm.
» Ruf doch an und sag, dass du verschlafen hast«, schlug er vor. » Kann doch jedem mal passieren!«
» Sehr gut«, grinste ich erleichtert. » Auf die Idee hätte ich auch selbst kommen können.«
Eine Dreiviertelstunde später saß ich an meinem Schreibtisch im Büro der stellvertretenden Intendanz und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Viel Zeit blieb mir allerdings nicht, denn auf dieser Station meiner Ausbildung war das Arbeitsklima nicht gerade das lockerste. Es wurde sehr viel Wert auf Etikette gelegt. Da konnte man nicht mal eben einen lockeren Spruch bringen, wie: » Hey, Achim, brauchst du morgen noch was für deine Präsentation?« Dort sprach man mit dem Herrn Dr. Soundso, und wenn man den Doktor in der Anrede einmal vergaß, bekam man das sehr direkt zu spüren.
» Konzentrier dich, Alter«, presste ich durch meine Lippen und verschaffte mir einen Überblick: Alles klar, die Aufgaben hier auf dem Zettel hast du am Freitag liegen gelassen, das musst du jetzt aufholen … heute Nachmittag ist eine Konferenz, die du noch vorbereiten musst …
Zurück im alten Leben
Ich stellte auf Roboter-Modus und machte meine Arbeit, doch immer wieder überkamen mich die Momente, in denen ich einfach aus dem Fenster in den leeren Himmel starrte und mich fragte, was ich hier eigentlich noch zu schaffen hatte, wo doch in Paris und Mailand all die tollen Shootings auf mich warteten. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich wirklich das Gefühl, etwas reißen zu können. Ich sah plötzlich diesen Weg vor mir, den es vorher nicht gegeben hatte. Es war wie ein Film, der ab und zu vor meinen Augen aufblitzte, mich aus der Realität riss und wieder verschwand.
Dann kam die Mittagspause. Ich traf mich wie immer mit Flo, Alex und Mirja in der Kantine – alles Azubis, mit denen ich gut befreundet war. Eigentlich wollte ich es nicht erzählen, aber es brannte mir dermaßen auf der Zunge, dass ich fast explodiert wäre. Es musste raus.
» Leute, wisst ihr, was mir am Wochenende passiert ist?«
» Alter, so fertig, wie du aussiehst, tippe ich mal, du hast ’ne Wette verloren. Wie viel musstest du saufen?«, lachte Alex und gab Flo einen High-five -Clap über den Tisch.
» Ich bin für HUGO BOSS gelaufen«, antwortete ich locker und schälte zufrieden meine Banane.
» Waaas?«, rief Mirja, die als Einzige sofort checkte, was los war.
» Wie, für HUGO BOSS gelaufen?«, meinte
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