Mit einem Bein im Modelbusiness
wann wurden in Mailand Geschenke verteilt?
Beauty-Shot bedeutet ganz einfach, dass der Fotograf dein Gesicht schön in Szene setzt. Darauf sind Models besonders scharf, weil man diese Fotos immer auch für sein Buch verwenden kann. Ich persönlich finde ja, dass ich nicht der Anzug-Typ bin, aber wenn Eddie mich so sah – bitte! Wir zogen das Shooting ohne Unterbrechung durch, und drei Stunden später war auch schon alles im Kasten.
» Mario, hast du noch Zeit?«, fragte Eddie.
Ich war gerade dabei, mir die Schuhe anzuziehen, und überlegte für eine Sekunde, wie diese Frage gemeint sein könnte, machte mich aber sofort wieder locker. Von meinen neuen Kumpels hatte ich schon einige abgefuckte Storys gehört, in denen jungen, unerfahrenen Models echt übel mitgespielt wurde. Aber Eddie? Nein!
» Klaro«, rief ich zu ihm rüber.
» Trinkst du Espresso?«
» Ja.«
» Willst du einen?«
» Au ja. Gerne.«
Ich nahm im vorderen Teil der Galerie Platz. Aus der Küche hörte ich schon die Kaffeemühle knarzen. Eddie besaß eine richtige Espressomaschine, wie man sie aus Cafés kennt, nicht diese Billigdinger, aus denen nur schwarze Brühe kommt. Ich sah mir die Bilder an den Wänden an.
Als Eddie mich fotografierte, hatte er erzählt, dass während der Fashion Week mehrere Designer ihre Kollektionen in seiner Galerie ausstellen würden. Das Magazin sei eher eine Herzensangelegenheit, die er nebenbei machte. Was für ein cooles Leben!
Eddie war Anfang vierzig, ein Mailänder Jude, super angezogen und unfassbar charming. Wie Peter hatte auch er früher als Model gearbeitet und besaß beste Kontakte in der Branche. Überhaupt erinnerte er mich von seiner ganzen Art her sehr an Peter. Eddie stellte das kleine Tablett, auf dem die beiden Espressotassen gerade so Platz fanden, neben mich und verschwand wieder, um zehn Sekunden später mit zwei Gläsern und einer großen Flasche San Pellegrino zurückzukommen.
» Mario, ich möchte ehrlich zu dir sein«, fing er an und schenkte uns Wasser ein. » Mit deinem Buch wirst du in Mailand nicht weit kommen. Das ist Mittelmaß. Wenn überhaupt.«
Ich war nicht wirklich überrascht von seiner Aussage, schließlich waren die paar Testbilder und die Fotostrecke aus dem FELD Magazin alles, was ich zu bieten hatte.
» Du hast Potenzial, aber du brauchst viel mehr gute Fotos. Wenn du möchtest, höre ich mich ein bisschen um und helfe dir, hier etwas aufzubauen. Ich kenne viele Leute in Milano. Da kriegen wir schon was hin.«
» Das würdest du für mich tun?«
Ich war baff.
» Ich sehe etwas in dir, aber das muss man erst noch an die Oberfläche bringen. Hätte ich dich beim Casting nicht live gesehen, Mario, ich hätte dich niemals gebucht.«
» Oh, verstehe«, murmelte ich leicht gekränkt und nippte an meinem Espresso.
Eddie nahm mein Buch in die Hände, das vor uns auf dem Tisch lag, blätterte darin und schüttelte selbstbestätigend mit dem Kopf.
» Nein, Mario, diese Bilder! Also, nein, so siehst du einfach nicht aus!«
Er klappte das Buch wieder zu und nahm einen Schluck aus dem Wasserglas. Dann sah er mich eindringlich an.
» Ich würde dir wirklich empfehlen, das anders zu machen. Ich kann ein bisschen für dich telefonieren. Vielleicht lässt sich etwas organisieren.«
Wow!
Was gerade geschah, war absolut außergewöhnlich. In dieser Branche hilft dir nämlich niemand einfach so. Es telefoniert auch niemand seine Connections für einen ab. Und schon gar nicht für einen Jungen, den man gerade erst kennengelernt hat. Na ja, jedenfalls dachte ich das immer, aber bei Peter wurde ich auch schon eines Besseren belehrt. Es gibt sie, diese kleinen Wunder. Man muss nur an sie glauben.
Eddie und ich tranken noch zwei weitere Espresso zusammen. Er erzählte mir ein bisschen aus seinem Leben, erklärte mir seine Stadt mit all ihren merkwürdigen Regeln, und je länger ich ihm zuhörte, desto sicherer war ich mir, einem Klon von Peter gegenüberzusitzen. Es war fast schon unheimlich. Egal, wo ich war, überall traf ich auf Unterstützer, die an mich glaubten. Sie fanden mich einfach. Ich weiß auch nicht, woran es lag. Die Stadt war voll von hübschen Jungs. Warum ausgerechnet ich?
Es geht auch anders
Es gibt zwei Sorten von Models. Diejenigen, die für eine Kampagne über Leichen gehen würden, und die anderen, zu denen ich mich zähle, die ihren Arsch eben nicht um jeden Preis verkaufen. Ich sage mir immer: Wenn es mit einem Job nicht klappt, na und? Dann bekomme ich
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