Mit einem Bein im Modelbusiness
sprach langsam, damit ich auch alles richtig verstand.
» Armani, Via Borgonuovo 11, 20121 Milano.«
» Alles klar«, bestätigte ich.
» Prima, Mario. Sei auf jeden Fall pünktlich. Und wenn noch was sein sollte, rufst du mich an, hörst du?«
» Yo, Yo, Yo«, rappte ich gedankenabwesend zurück. » Armani weiß also, dass der Playboy aus Hamburg in der Stadt ist. Wie derbe ist das denn, Digger!«
» Wie bitte?«, fragte Paula verwirrt.
» Ach, schon gut. Ich hab nur mit mir selbst geredet. Ja, das geht alles klar. 17 Uhr. Ich werde da sein!«
» Okay! Ciao, Mario.«
Im Wunderland
Ich schaute auf mein Handy. Es war kurz vor zwei. Ich hatte noch drei Stunden Zeit. Ohne lange nachzudenken, wählte ich die Nummer von Peter, ließ es eine Ewigkeit klingeln, doch er nahm nicht ab. Lea war um diese Uhrzeit in der Uni. Ich musste auf der Stelle jemandem davon erzählen, sonst würde ich platzen.
» Jonathaaan«, rief ich durch die Wohnung.
Er lag mit einem Buch im Bett und rührte sich keinen Zentimeter, als ich durch die Tür gestürmt kam. Ihn konnte ohnehin kaum etwas aus der Ruhe bringen.
» Du wirst es nicht für möglich halten«, begann ich meine Story und erzählte ihm von dem Telefonat mit Paula.
» Alter, das ist großartig«, freute er sich und streckte mir seine Hand zum High five entgegen. Booom!
Ich sprang wie ein Zappelphilipp von einem Fleck zum nächsten.
» Scheiße, bin ich aufgeregt. Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
» Mach dich mal locker!«, fuhr Jonathan mich an. » So krass ist das jetzt auch nicht.«
Ich schaute ihn fassungslos an.
» Wie?«
Er grinste nur.
» Jaja. Ich mach nur Spaß, aber chill mal, Homie, und komm runter!«
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und sah schon die nächste Armani -Kampagne mit meinem Gesicht vor mir. Wenn er mich persönlich sehen wollte, reimte ich mir zusammen, dann hatte er doch bestimmt etwas vor mit mir! Sonst würde er sich doch nicht extra die Zeit nehmen.
» Johnny, sag mal, kommt das oft vor?«
» Was denn?«
» Dass Designer persönliche Einladungen erteilen!«
» Na ja, das passiert schon mal«, fing er an zu erklären. » Ich meine, die Fashion Week steht vor der Tür. Über 1000 Models werden dann in der Stadt sein und nach Jobs suchen. Bei den Castings wird es zugehen wie im Irrenhaus. Das wissen die Designer natürlich, also laden sie sich vorab immer mal wieder ein paar Models ein, für die sie sich interessieren. Dann haben sie am Ende weniger Stress, verstehst du?«
» Ich verstehe«, grinste ich. Seine Antwort gefiel mir. » Ich hab also gute Chancen, ja?«
» Jetzt verpiss dich aber aus meinem Zimmer, du Mädchen«, lachte er und warf ein Kissen nach mir.
» Hehe.«
Die nächsten neunzig Minuten verbrachte ich pfeifend vor dem Badezimmerspiegel, um meine Haare zu stylen und mich zurechtzumachen. Durch die vielen Katalog-Shootings der vergangenen Wochen wusste ich mittlerweile ganz gut Bescheid, auf welchen Look die Mailänder standen. Ich bügelte noch schnell mein bestes Hemd und nebelte mich von Kopf bis Fuß mit Boss Bottled ein. Ich fühlte mich wie ein Sechzehnjähriger – vor dem ersten Date mit der großen Liebe. Herzklopfen inklusive!
Dann machte ich mich auf den Weg. Ich hatte zwar eigentlich keine Kohle mehr für ein Taxi, aber wenn Armani ruft, wollte ich auf Nummer sicher gehen. In der U-Bahn hätte mir irgendein Vogel Limonade über mein Hemd schütten können oder sonst irgendwas, und auf Aktionen dieser Art konnte ich heute gerne verzichten. Da ich aber gut in der Zeit war, bat ich den Fahrer, etwas früher zu halten, um die restlichen eineinhalb Kilometer zu Fuß zu gehen. An jedem zweiten Schaufenster blieb ich stehen, um mich zu mustern. Sah ich noch gut aus? Waren die Haare okay? Steckte das Hemd perfekt in der Hose? Fuck, war ich nervös! Du hast jetzt eine einmalige Chance, auf die jedes Model sein Leben lang wartet, sprach ich mit mir selbst, während ich in die Via Borgonuovo einbog. Georgio Armani will dich persönlich sehen, also bleib cool und mach dir nicht in die Hosen. Aber was sagst du ihm, wenn er vor dir steht? Besser nicht darüber nachdenken! Du bist eh schon kirre genug.
Ich schlenderte die Straße entlang und suchte die Hausnummer 11, so wie Paula es mir diktiert hatte, doch ich fand sie nicht. Ich schaute mich überall um, wechselte die Straßenseite, lief vor und wieder zurück und griff mir schon verzweifelt an den Kopf. Es musste doch hier irgendwo sein! Von außen war der
Weitere Kostenlose Bücher