Mit einem Fuß im Himmel
sie trösten konnte. So richtete sie sich bald entschlossen auf, putzte sich die Nase, wischte sich die Tränen ab und sah auf ihre Armbanduhr — zu früh, viel zu früh noch, um schlafen zu gehen, aber im Radio mußte um diese Zeit noch etwas los sein! Sie sprang auf, lief zu der imposanten und formschönen Musiktruhe, drehte an den verschiedenen Knöpfen herum, bis sie den richtigen gefunden hatte, und stellte einen Sender ein.
Aus dem Lautsprecher ertönte weich, warm und mit bezwingendem Charme die Stimme von Hein Grotius. Plötzlich war es so, als sei er ganz nahe, als sei er selber hier im Zimmer.
Gabriele schloß die Augen und lauschte, ihr Gesicht verklärte sich. Ach ja, Hein! Bald würde er nach Hause kommen, sie würde ihm alles erzählen, und bestimmt würde er Rat und Trost für sie haben. Eigentlich war es doch sehr dumm von ihr gewesen, daß sie nicht mit ihm ins Tabaris gegangen war. Sicher wäre es ein netter Abend geworden! Aber so schlimm war das ja schließlich auch nicht. Zwar eine versäumte Gelegenheit, aber keine, die nicht wiederkommen würde — das nächstemal würde sie sie beim Schopfe ergreifen!
XV
Oskar Hähnlein hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, so anstrengend, daß ihm später beim bloßen Gedanken daran, was er hatte alles aus- und überstehen müssen, der Schweiß ausbrach. Therese hatte alle Register gezogen, von den stummen Vorwürfen und vernichtenden Blicken bis zu den großen dramatischen Szenen, die Oskar Hähnlein Höllenqualen bereiteten, weil er wußte, daß es niemanden im Hause geben konnte, der sie bei Thereses Lautstärke nicht mitbekommen hätte. Es war schrecklich gewesen, ganz schrecklich, und Oskar Hähnlein hatte sich eisern vorgenommen, nie wieder einen kleinen Ausflug in die Freiheit zu unternehmen. Nicht etwa, weil er es tatsächlich bereute, sondern einzig und allein, weil das bescheidene Vergnügen die nachfolgenden Strapazen keineswegs aufwog.
Natürlich war es ihm dann doch gelungen, Therese wieder zu versöhnen. Er hatte keinen Augenblick an diesem Ausgang der Affäre gezweifelt, denn er kannte seine Frau ja seit zwanzig Jahren und wußte, wie sie zu behandeln war — nur vergaß er das manchmal. Vielmehr wurde es ihm immer sehr schnell leid, die schwere Rolle des idealen Ehemannes zu spielen, in der er Therese so gut gefiel.
Nun, für heute abend hatte er diese Rolle übernommen, und er hatte Therese sogar etwas Besonderes geboten. Sie saßen zusammen im Tabaris und lauschten dem Gesang von Hein Grotius. Es war das erste Mal seit langer Zeit, daß sie wieder einmal zusammen ausgegangen waren.
Therese klatschte begeistert, als Hein Grotius geendet hatte, begeistert und schlechten Gewissens, denn sie hatte, während er sang, Vergleiche zwischen ihm und ihrem Gatten gezogen, und die waren nicht gerade zu Gunsten Oskar Hähnleins ausgefallen. Therese hatte aber genügend Selbsterkenntnis, um zu wissen, daß solche Gedanken sich für eine gute Ehefrau nicht ziemen.
»Oskar«, sagte sie und wandte sich ihm zu, »es ist doch herrlich, daß wir wieder einmal zusammen etwas unternommen haben. Das macht so jung, findest du nicht auch?«
»Es war meine Idee, Täubchen«, erwiderte Oskar, »ich wollte dir etwas bieten!«
»Gefällt es dir hier?«
»Solche Lokale sind mir eigentlich zu... aber ich bin glücklich, mit dir zusammen zu sein, Täubchen.«
Er legte seine Hand auf ihren rundlichen Unterarm.
Sie strahlte ihn an. »Ich auch, Oskar! Sag mal, gefällt dir mein Kleid wirklich?« Das Kleid, — das Therese trug, war funkelnagelneu und gehörte zusammen mit einem Traum von Frühjahrshut zu dem Preis, den Oskar Hähnlein für seinen häuslichen Frieden hatte bezahlen müssen.
»Aber ja, Täubchen«, beeilte sich Oskar zu versichern, obwohl er eigentlich der Meinung war, daß dieses sehr bunte und ausgeschnittene Kleid weit besser zu einer zehn Jahre jüngeren Frau gepaßt hätte.
»Ist es nicht zu gewagt?« fragte Therese mit einem koketten Lächeln.
»Aber Täubchen, du kannst doch alles tragen! Bei deiner Figur!«
Therese ging dieses faustdicke Kompliment glatt ein. »Ich finde es ja auch todschick«, meinte sie und besah die geblümte Pracht wohlgefällig in ihrem kleinen Spiegel, »es war ja auch nicht ganz billig, aber...«
»Mein Täubchen«, unterbrach Oskar Hähnlein sie rasch, »für dich ist mir nichts zu teuer, das weißt du doch. Zu einem Edelstein gehört eine kostbare Fassung, damit er richtig zur Geltung kommt.«
»Das
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