Mit einem Kuss find alles an ...
antun!“
Sie straffte die Schultern. „Es wundert mich gar nicht, dass Sie wie alle anderen in ihn verliebt sind, aber …“
„So ein Unsinn! Ich bin Amelia, seine Cousine. Aber ich habe ihn sehr lieb. Er hat sich immer um mich und meine Mutter gekümmert. Ich kapiere nicht, warum Sie so wütend auf ihn sind, aber Sie müssen erst mal unter vier Augen mit ihm reden. Das ist Ihre Pflicht als seine Ehefrau.“
Wie kann ein modernes junges Mädchen bloß so unterwürfig sein? „Meine Pflicht?“, hakte Lucy schockiert nach. Waren sie in einer Zeitmaschine zum Comer See gereist und ins neunzehnte Jahrhundert katapultiert worden?
Mit einer ausladenden Armbewegung deutete Amelia zu der festlichen Dekoration, den Geschenken, den fröhlich spielenden Kindern. „Mein Cousin liebt Sie sehr. Wenn Sie warten, bis Sie mit ihm allein sind, verzeiht er Ihnen bestimmt, dass …“
„Er soll mir verzeihen?“
„Er ist ein sehr stolzer Mann. Wenn Sie ihn vor dem ganzen Dorf blamieren, machen Sie Ihre Ehe kaputt, noch bevor sie richtig angefangen hat.“
Wie altklug sie daherredet!, dachte Lucy unwillkürlich. Unter anderen Umständen hätte sie darüber gelacht.
Amelia wusste natürlich nicht, dass es sich lediglich um eine Zweckehe handelte. Sie glaubte tatsächlich, dass Massimo aus Liebe geheiratet hatte.
Wie er es alle Leute glauben machen wollte.
Lucys Kehle war wie zugeschnürt vor Bitterkeit und Kummer. Ihr Zorn wuchs, denn immer deutlicher wurde ihr die Ungleichheit zwischen ihr und Massimo bewusst. Er blieb stets kühl und nüchtern, sie dagegen wurde immer verletzlicher.
„Bitte, tun Sie nichts Überstürztes!“, flehte Amelia, und nun klang sie wieder wie ein Teenager. „Wenn er rauskriegt, dass ich ausgepackt habe, macht er mir die Hölle heiß.“
Zögernd blickte Lucy sich im Raum um. Sie sah die leuchtenden Augen der Erwachsenen, hörte das fröhliche Lachen der Kinder. Sie atmete tief durch und versuchte, ihren Zorn zu mäßigen – nicht, um Massimo zu verschonen, sondern um der Dorfbewohner willen. „Na gut, ich gedulde mich noch eine kleine Weile. Aber ich will nicht hier herumstehen und zusehen, wie er all diese Lügen verbreitet.“
„Ich kann Sie ja durch die Villa führen. Ich hole auch Ihr Baby, damit Sie nicht in Versuchung kommen, mit Massimo zu streiten“, schlug Amelia eifrig vor.
Und schon bahnte sie sich einen Weg durch die Menge, kehrte nach wenigen Sekunden zurück und übergab das Baby seiner Mutter.
Chloe wirkte jedoch gar nicht glücklich über die Wiedervereinigung. Unwillig zappelte und strampelte sie, versuchte sich zu entwinden, streckte die Arme in Massimos Richtung und wedelte wild mit Hippo.
Lucy konnte durchaus nachempfinden, dass die vielen Kinder und Spielsachen einen großen Anreiz darstellten. Doch es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass ihr Baby Massimo so offensichtlich ins Herz geschlossen hatte, während sie zutiefst enttäuscht von ihm war. Sie musste so schnell wie möglich verschwinden, um nicht doch noch durch den Salon zu stürmen, ihrem Zorn und Kummer lautstark Luft zu machen oder Massimo gar zu ohrfeigen.
Aber warum war sie so verletzt? Weshalb fühlte sie sich so betrogen, obwohl sie schon von Anfang an ahnte, dass sie einem attraktiven Mann wie ihm nicht trauen durfte?
„So ein süßes Kind“, schwärmte Amelia. Sie strich Chloe über das flaumige Haar, während sie durch das Foyer gingen. „Massimo meint, dass ich meine Zeit an der Universität verschwende. Er sagt, ich soll mir einen netten Mann suchen und eine Familie gründen. Ich hab mich immer damit rausgeredet, dass er als Erster heiraten muss.“ Sie seufzte theatralisch. „Jetzt, wo er Sie gefunden hat, habe ich keine Ausrede mehr.“
„Studieren Sie um Himmels willen weiter“, riet Lucy nachdrücklich. „Die Ehe ruiniert bloß alles.“
Verwundert blieb Amelia auf der breiten Treppe stehen. „Wieso sagen Sie so was? Bloß weil Sie gerade einen kleinen Streit haben? Sie lieben Massimo doch bestimmt. Er ist ja auch echt cool. Na ja, manchmal ist er ziemlich streng, aber bloß, weil er die Menschen schützen will, die er lieb hat. Ich hab ja keine Ahnung, womit er Sie so geärgert hat, aber bestimmt hat er es getan, weil er Sie liebt, Lucia.“
Lucy schluckte schwer. Sie beneidete das Mädchen um das reine Herz, das an das Gute in Massimo glaubte. Noch vor Kurzem hatte sie auch Vertrauen in die Menschen gehegt, doch nun konnte sie diesen naiven Idealismus nicht mehr
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