Mit einem Kuss find alles an ...
Fordernd. Beharrlich. Besitzergreifend. Sie hatten in ihr den Drang erweckt, ihn zu erkunden und ihn ebenso in Besitz zu nehmen.
Er reichte ihr die Hand. „Komm, meine Braut.“
Und sie gehorchte.
Sie erklommen die Stufen zu der palastartigen Villa. Die Leute aus dem Dorf und ihr italienisches Stimmengewirr folgten ihnen durch das drei Meter hohe Portal. Eine lächelnde Zofe nahm Lucy den Mantel ab. Drei Lakaien trugen das Gepäck aus dem Wagen herein, während der Chauffeur den Rolls-Royce in die Garage fuhr.
Ich bin in einem Märchenschloss gelandet, sinnierte Lucy überwältigt, genau wie Aschenputtel.
Jenseits des Foyers erstreckte sich ein riesiger Salon mit hoher gewölbter Decke, die mit Fresken von Engeln und ineinander verschlungenen Liebespaaren im Stil der Renaissance verziert war.
Überwältigt von der Größe und der Pracht, rang Lucy nach Atem. Dieser Palazzo sollte für die nächsten Monate ihr Zuhause darstellen?
Doch damit nicht genug: Über dem marmornen Kamin prangte als ungemeiner Stilbruch zu den wertvollen antiken Möbeln ein riesiges buntes Seidenbanner mit den handgemalten Worten: Alles Gute zum ersten Geburtstag, Chloe! Buon compleanno!
Hunderte rosa Blüten und Luftballons zierten den Raum, und neben dem Kamin stapelten sich bunte Päckchen. Eine Plüschgiraffe, die beinahe so groß wie Lucy war, wachte über die Geschenke. Und auf dem Tisch hinter dem eleganten Sofa stand eine sechsstöckige rosa Geburtstagstorte.
Das alles hatte Massimo arrangiert für ein Kleinkind, dem er am Vortag zum ersten Mal begegnet war.
„Danke“, flüsterte Lucy mit Tränen der Rührung in den Augen. „Es ist unglaublich, dass du das alles für Chloe getan hast.“
„Nein. Ich habe es für dich getan.“
Fast schien sein Blick bis in ihre Seele zu dringen. Wie hatte er nur ihren sehnlichen Wunsch erraten, ein rauschendes Fest zu Chloes Ehrentag zu geben?
Er ist wirklich zu gut, um wahr zu sein.
Während ihr eine Träne über die Wange rann und sie nach Worten suchte, um ihrer tiefen Dankbarkeit und Freude Ausdruck zu verleihen, verstärkte Massimo den Griff um ihre Hand.
Er drehte sich zu der Menschenmenge im Salon um und eröffnete laut und deutlich: „Cari amici, molto grazie …“
Aufmerksam lauschte Lucy seiner melodischen Stimme. Obwohl sie die Ansprache nicht wirklich verstand, vermutete sie, dass er seinen Freunden für ihr Erscheinen dankte und sie in seinem Haus willkommen hieß. In dem Versuch, die feierlichen Worte zu übersetzen, fing sie nur Bruchstücke auf.
„… venti anni … ritorno …“
Mühsam, mit gerunzelter Stirn reimte sie sich zusammen, dass von zwanzig Jahren und einer Rückkehr die Rede war.
„… mi sposa … Lucia Ferrazzi.“
8. KAPITEL
Lucia Ferrazzi?
Ferrazzi – wie die Designertaschen?
Wie die Firma, die Massimo durch feindliche Übernahme an sich zu reißen gedachte?
Atemlos blickte Lucy den Mann an, den sie noch vor einem kurzen Augenblick für zu gut gehalten hatte, um wahr zu sein. Und all ihre Dankbarkeit und Freude lösten sich auf wie Rauchwolken im Wind.
Die Anwesenden, fünfzig oder gar sechzig an der Zahl, stießen aufgeregte Rufe auf Italienisch aus.
Eine weißhaarige alte Frau in einer Ecke brach in Tränen aus und schluchzte laut: „Bambina mia!“
Lucy wurde übel. „Ich will mit dir unter vier Augen reden“, raunte sie Massimo zu. „Sofort.“
„Später. Ich werde dir alles erklären. Hab bitte ein bisschen Geduld.“ Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln. „Zuerst musst du deine Gäste begrüßen. Manche von ihnen haben Jahrzehnte auf dich gewartet.“
„Aber ich bin nicht …“ Weiter kam sie nicht, denn die Menschenmenge umringte sie, schob sie mit sich, fort von Massimo und Chloe.
Alle drängten sich um sie, riefen mit Tränen in den Augen und Verwunderung in der Stimme einen Namen. Doch es war nicht ihr Name, Lucy Abbott, es war Lucia Ferrazzi, und immer wieder fiel das Wort miracolo .
Während sie von unzähligen Fremden umarmt wurde, beobachtete sie, wie Massimo mit den Dorfkindern scherzte und lachte. Er sah so attraktiv aus, dass ihr das Herz schwer wurde. Ganz leger setzte er sich mit Chloe auf den Fußboden und half ihr, das erste Geschenk auszupacken.
Sie gluckste mit strahlendem Gesicht, als eine bunt bemalte Lokomotive aus Holz zum Vorschein kam.
Er schaute zu Lucy hinüber und lächelte zufrieden.
Und sie hasste ihn. Abgrundtief.
Trotz ihrer anfänglich negativen Einschätzung hatte sie sich in
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