Mit einem Kuss find alles an ...
kürzester Zeit davon überzeugen lassen, dass er ein ehrlicher Mensch war. Doch in Wahrheit war er noch verlogener als Alexander.
Der dunkle Fürst war ein Schwindler. Ein Betrüger.
Sie schickte sich an, zu ihm zu stürmen und ihn zur Rede zu stellen.
Da trat die weißhaarige Alte aus der Ecke auf sie zu und schlang die Arme um Lucy. „Mia bambina!“, rief sie mit ergriffener Stimme und tränennassen Augen.
Aufgeregt sprudelte sie einen wahren Schwall italienischer Worte hervor, immer wieder unterbrochen von heftigen Schluchzern. Dann, mit flehendem Blick, stellte sie offensichtlich eine Frage.
Vergeblich versuchte Lucy, sich aus der Umklammerung zu befreien. Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, ich spreche kein Italienisch. Und ich bin nicht die Person, für die Sie mich halten …“
„Annunziata war Ihr Kindermädchen“, sagte jemand auf Englisch. „Ihre bambinaia .“
Ein zierliches, ausgesprochen hübsches Mädchen mit blauen Augen, dunklem Haar und südländischem Teint war aus der Menge hervorgetreten. Es mochte vielleicht achtzehn Jahre alt sein.
„Sie fragt, ob Sie ein glückliches Leben geführt haben. Seit Ihrem Verschwinden als Baby hat sie jede Nacht dafür gebetet, dass Sie dem Feuer irgendwie entkommen konnten. Und jetzt, wo Sie hier sind, ist für sie ein Wunder geschehen.“
Die alte Frau plapperte schnell vor sich hin. Dann wandte sie sich abrupt ab und huschte davon.
„Von welchem Feuer hat sie gesprochen?“, wollte Lucy von dem Mädchen wissen.
„Massimo hat mir ausdrücklich verboten, mit Ihnen darüber zu reden. Er will es Ihnen selbst erklären.“
„Na gut.“ Mit grimmiger Miene wirbelte sie herum, um sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
„Wo wollen Sie denn hin?“, rief das Mädchen betroffen. „Habe ich was Falsches gesagt?“
Lucy blickte über die Schulter zurück. „Nein, durchaus nicht. Ich will bloß meinen Mann zur Rede stellen.“
„Hier? Vor allen Leuten?“
„Warum nicht? Ich will auf der Stelle wissen, was hier vorgeht.
Da Sie mir nicht verraten wollen, was das ganze Theater bedeutet, muss ich ja wohl …“
„Warten Sie! Wenn Sie mir versprechen, mich nicht bei ihm zu verpfeifen, sage ich es Ihnen.“
„Ich höre.“
Das Mädchen holte tief Luft und begann in verschwörerischem Ton: „Sie sind sehr berühmt hier im Ort. Als Sie noch ein kleines Baby waren, ist Ihr Vater mit dem Auto über eine Klippe gerast. Der Wagen ist explodiert. Ihre Eltern waren sofort tot, aber Sie sind nie gefunden worden. Alle haben Sie für tot gehalten, außer Ihrem Großvater. Letzten Monat hat er allerdings beantragt, Sie für tot erklären zu lassen. Aber das liegt wohl daran, dass er Geld braucht …“ Sie schlug sich eine Hand vor den Mund. „Oh, jetzt habe ich zu viel ausgeplaudert.“
Betroffen heftete Lucy den Blick auf Massimo. Er ragte wie ein Hüne aus der Menge. Alle Leute fügten sich ihm; alle bewunderten ihn. Er war wesentlich anziehender als Alexander und doppelt so verschlagen.
Je hübscher das Gesicht, desto kälter das Herz …
Nun wusste sie endlich eine Antwort auf die Frage, warum er sie vor dem harten Winter in Chicago gerettet hatte. Aufgrund einer zufälligen Ähnlichkeit wollte er sie benutzen, um die Herrschaft über das Ferrazzi-Imperium an sich zu reißen. Er wollte den Leuten weismachen, dass sie das arme vermisste Baby war. Leuten wie der leichtgläubigen alten Kinderfrau. Wie dem Großvater jenes Babys, dem der Verlust seiner Enkelin nach dem tragischen Unfalltod von Sohn und Schwiegertochter unvorstellbaren Kummer bereitet haben musste.
Und wenn sie die Wahrheit herausfinden, ist es für sie, als ob sie das Baby noch einmal verlieren .
Doch was kümmerte es ihren Ehemann, solange er bekam, was er wollte?
Er begegnete ihrem Blick und lächelte sie verführerisch an. Sie reckte das Kinn vor. Wenn er glaubte, dass er sie mit seinem gefährlich sinnlichen Charme zu Stillschweigen bezirzen konnte, dass er ihre Integrität mit seinem Reichtum und seiner Macht kaufen konnte, dann irrte er sich gewaltig.
Sie hatte ihm drei Monate ihres Lebens verkauft, um Chloes willen. Zum Wohl ihrer Tochter war sie zu vielem bereit. Unschuldigen Menschen wehzutun, kam jedoch nicht infrage. Es gab Wichtigeres als finanzielle Sicherheit.
Lucy holte tief Luft und wandte sich an das Mädchen. „Ich werde jetzt mein Baby holen und allen Leuten sagen, was für ein Lügner ihr verehrter Principe ist.“
„Das können Sie ihm nicht
Weitere Kostenlose Bücher