Mit einer Prise Glück und Liebe
hatte beträchtlich an Aroma verloren und war in sich zusammengeschrumpft, weil sich niemand um ihn gekümmert hatte. Ich brachte den Teig und meine Großmutter zu mir nach Hause, und bereits als ich mich an die Arbeit machte, spürte ich, wie sich der Mutterteig erholte, lockerer wurde und ein süßliches Aroma entwickelte.
Ich teilte ihn in drei Portionen auf: Eine versetzte ich mit Malzzucker und Roggen und dem Kummer meines Herzens, so dass sie eine tiefdunkle Farbe annahm. Die zweite wusch ich nach Poppys Anweisung, um sie in einen Zustand zu bringen, der Bridgets Originalteig am nächsten kam. Die dritte Portion verwendete ich, um einen Laib Brot daraus zu backen, den ich im Garten hinter Adelaides Haus begrub – eine Zeremonie, die den Abschluss meines bisherigen Lebens und den Beginn eines neuen besiegelte.
Da es leichter war, sich um Adelaide in ihrem Haus zu kümmern, verkaufte ich mein eigenes und zog zu ihr. Den ganzen langen Winter über backte ich Brote. Meine Großmutter saß die ganze Zeit neben mir. Manchmal starrte sie blicklos in die Ferne, möglicherweise auf die Seite der Existenz, die sie erwartete. Manchmal knetete sie ein Stück Teig mit ihren von dicken Venen durchzogenen Händen und verkrümmten Fingern, denen das Formen der Laibe noch immer dieselbe Freude bereitete wie früher.
Eines Sonntagabends kam Poppy vorbei und stand mit zwei großen Einmachgläsern in der Hand im Türrahmen – in einem befand sich ein heller, glatter Starterteig, im anderen ein dunkler, von Löchern übersäter. Einen scheinbar endlosen Moment lang starrte sie ihre Mutter an, ohne sich vom Fleck zu rühren, so lange, dass ich mich fragte, ob sie gleich kehrtmachen und wieder gehen würde. Ich konnte mich nur an eine einzige Gelegenheit erinnern, als die beiden miteinander geredet hatten; damals in Poppys Haus, als ich schwanger gewesen war. Ich wusste immer noch nicht, was zu dem Zerwürfnis zwischen ihnen geführt hatte, aber ich ging davon aus, dass es etwas mit Poppys Homosexualität oder mit Adelaides unseligem Geschick als Mutter zu tun hatte. Oder mit beidem.
Adelaide hatte einen ihrer schlechten Tage. Ich hatte ihr einen Klumpen Teig gegeben, den sie kneten und falten sollte und der sie bereits seit Stunden beschäftigte. Wie mich selbst schien auch sie der Duft nach Hefe und frisch Gebackenem zu beschwichtigen, und sie liebte die klassische Musik, die ich bei der Arbeit stets hörte. Oft arbeiteten wir stundenlang nebeneinander, ohne auch nur ein Wort zu wechseln.
»Großmutter, sieh nur, wer da ist«, sagte ich.
Sie drehte sich um. »Hallo, Poppy«, sagte sie in einem ihrer Anfälle verblüffender Klarheit, die sie von Zeit zu Zeit ohne Vorwarnung an den Tag legte. »Backst du mit uns?«
Meine Tante – die toughste Frau, der ich je begegnet bin – brach zusammen. Sie stellte die Gläser auf dem Tisch ab, trat hinter ihre Mutter und legte die Arme um sie. »Ich liebe dich, Mom. Ich hoffe, du weißt das.«
Adelaide schloss die Augen. »Wenn du es nicht tätest, hättest du wohl kaum den Starterteig all die Jahre am Leben gehalten, oder?«, erwiderte sie, legte ihre knorrigen Finger um Poppys Hand und presste ihre Wange an ihr Gesicht.
Eine Weile hielten sie einander in den Armen. »Wirst du Lily sagen, dass es mir leidtut?«, fragte Adelaide schließlich.
»Ja«, flüsterte Poppy. »Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig.«
»Ich habe ihr Kleid ruiniert. Der Fleck ging nie mehr raus.«
»Ich weiß.« Poppy richtete sich auf und ging hinaus in den Garten. Als sie wieder hereinkam, backten wir aus den beiden Mutterteigen Brötchen und probierten sie alle nacheinander.
VIERUNDDREISSIG
Sofias Tagebuch
San Antonio, 10. Juni
Hinter mir liegt die deprimierendste Stunde meines ganzen Lebens. Ich habe mit Mica Reed, einer der anderen Ehefrauen der Verwundeten, zusammengesessen. Sie hat so schrecklich geweint. Ihr Mann hat es nicht geschafft. Er lag noch länger hier als Oscar, aber seine Verletzungen waren deutlich schwerer. Er hatte Verbrennungen an den Lungen erlitten, was wohl das Hauptproblem war, und viele innere Verletzungen. Die Chance, dass er es schafft, war die ganze Zeit äußerst gering, aber dass er so lange durchgehalten hat, zeigt, dass er leben wollte. Er hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt, deshalb war in seinem Fall offensichtlich der Geist willig, doch das Fleisch zu schwach.
Das Schlimmste daran war, dass ich die ganze Zeit daran denken musste, wie schwer Ralphs
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