Mit einer Prise Glück und Liebe
freudlos. »Ja. Aus gutem Grund. Was diese Dinge angeht, war ich nicht gerade auf der Siegerstraße unterwegs.«
»Das bedeutet noch lange nicht, dass du immer Pech haben musst.« Er krümmt meine Finger und legt seine Hand darum. »Ich habe drei Tage lang komponiert. Praktisch ohne Pause. Es ist schrecklich. Und wunderbar zugleich.« Er hält inne und starrt ins Dunkel. »Es ist Ethan.«
»Dein Sohn.«
Er nickt. »Das Problem mit kranken Kindern ist, dass sie nicht ausschließlich in dieser Krankheit existieren. Sie wachsen, sie schneiden Grimassen, lernen sprechen, all diese Dinge. Er hatte seine Lieblingsspielzeuge, sein Lieblingsfrühstück, seine Lieblingszeichentrickserien, verstehst du?«
»Ja.« Wieder muss ich an Sofia mit fünf denken, an ihr dunkles Haar und ihre Koboldaugen. »Was hat er besonders gemocht, Jonah?«
»Fische. Wir hatten ein Salzwasser-Aquarium, das er heiß und innig geliebt hat. Er kannte die Namen sämtlicher Fische und Korallen in diesem Becken. Sie sind wunderschön, so bunt und friedlich. Ich dachte immer, so etwas muss doch den Heilungsprozess fördern.«
»Ich bin fest davon überzeugt.«
Wieder nickt er, will etwas sagen, besinnt sich aber eines Besseren. »Seit seinem Tod habe ich nichts mehr geschrieben. Keine einzige Note.«
»Vielleicht hast du die Zeit zum Trauern gebraucht.«
»Das Ganze liegt vierzehn Jahre zurück, Ramona. Du warst der Auslöser.«
Ich lächle. »Das heißt, ich bin eine Muse. Das ist cool.«
»Mir ist aufgefallen, dass du immer Scherze machst, wenn dir etwas besonders nahegeht.«
Ich senke den Blick.
Er schiebt meinen Ärmel hoch und streichelt meinen nackten Arm. Ein heftiges Kribbeln schießt mein Rückgrat empor, über meine Rippen, meine Brustwarzen. Ich entziehe ihm meinen Arm und presse ihn an meinen Körper.
Er lacht leise, rutscht noch etwas näher. »Du magst mich, Ramona.«
Ich beuge mich vor, so dass sich mein Haar wie ein schützender Umhang um mich legt. »Das stimmt, aber das ist nicht der Punkt, um den es hier geht.«
»Worum geht es dann?«
Er legt den Arm um meine Schultern. Unsere Hüften berühren sich. »Ich weiß es nicht mehr.«
»Ich bin hergekommen, um dich zu küssen.«
»Das sollten wir lieber nicht tun.« Ich schließe die Augen und versuche mit aller Macht, nicht daran zu denken – mit dem Ergebnis, dass ich an nichts anderes denken kann. An seinen Geschmack. Meinen Wunsch, seine Hände auf meinem Körper zu spüren. »Es fühlt sich nur so … groß an. Zu groß. Und in Beziehungsdingen bin ich eine echte Versagerin.«
»Ich auch.« Er streicht mein Haar zurück. Und dann spüre ich seine Lippen in meinem Nacken. Wieder erschaudere ich. Er spürt es. »Setz dich auf«, sagt er leise.
Ich gehorche, als wäre ich nicht länger Herrin über meinen eigenen Körper. Ich setze mich auf und lasse mich in seine Armbeuge sinken, halb über seinen Schoß. Er küsst mich, zuerst behutsam, voller Zärtlichkeit. Ich fühle mich so sicher, an seiner Brust, im Dunkeln, während seine Hände mein Gesicht streicheln, meine Wangen, meinen Hals.
Hinter meinen geschlossenen Lidern flackert ein helles Licht. Ich ertappe mich dabei, dass ich mich gegen ihn lehne, meine Hand um seinen Nacken lege, sein Ohr berühre. Wir schmiegen uns aneinander. Wie in Trance schiebe ich die Hand unter sein T-Shirt und berühre seine Haut, die sich glatt und heiß unter meinen Fingern anfühlt, während seine Hand sich auf meine Taille legt und kleine Kreise unter meinem Sweatshirt beschreibt.
Schließlich hebt er den Kopf. »Erinnerst du dich daran, wie ich dich das erste Mal geküsst habe?«, fragt er. »Im Garten deiner Tante?«
»Ja. Ich dachte, ich müsste sterben.«
»Ich auch.« Seine Hand vergräbt sich in meinem Haar. »Ich habe jahrelang an dich gedacht und mich gefragt, wo du wohl bist und was du tust.«
Mein Handy läutet in der Gesäßtasche meiner Jeans. Ich richte mich auf und ziehe es heraus. »Hallo?«
»Hey, hier spricht deine Bäckerin«, sagt Jimmy. »Ich stehe auf der anderen Straßenseite und wollte nicht stören.«
Ich lache und winke ihr zu. »Ist schon in Ordnung. Komm ruhig herüber.«
Ich lege auf und erhebe mich. Ein Teil von mir ist erleichtert, dass unsere Begegnung damit enden kann. Ich bin erregt und nervös und zittrig und brauche etwas Zeit, um mich zu sammeln. »Das war meine Bäckerin. Da drüben ist sie.« Ich zeige auf die andere Straßenseite.
Er steht ebenfalls auf, beugt sich vor, legt die Hand
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