Mit einer Prise Glück und Liebe
ja beruhigen und überreden, dass sie an den Tisch zurückkommt.«
Aber Katie taucht von allein auf. Mit durchgedrückten Schultern steht sie vor uns. »Tut mir leid«, sagt sie würdevoll. »Ich war undankbar. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist.«
»Ist schon gut, Süße«, sage ich. »Lasst uns ein Dessert bestellen. Was hältst du davon?«
NEUNUNDDREISSIG
Sofias Tagebuch
8. Juli, 03:00 Uhr
Ich bin so müde, dass ich eigentlich wie eine Tote schlafen sollte, stattdessen wälze ich mich seit Stunden hin und her. Wann immer ich die Augen schließe, höre ich Oscar schreien. Er hat mich weggeschickt, aber ich bin trotzdem geblieben. Ich finde es nur fair, mit ansehen zu müssen, was er durchmacht.
Heute musste die sogenannte Wundtoilette durchgeführt werden. Was nichts anderes bedeutet, als dass sie die Kruste von den Brandwunden abschaben. Ich glaube, etwas Schlimmeres kann man sich gar nicht vorstellen, aber allein seinen Schreien nach zu urteilen, war es noch viel schlimmer.
Heute habe ich auch das erste Mal sein Gesicht gesehen. Sein wunderwunderschönes Gesicht, das bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist. Seine Nase ist vollständig verbrannt, was ihn wie ein Ungeheuer aussehen lässt. Ich muss weinen, während ich das schreibe. Er darf niemals erfahren, wie grauenhaft dieser Anblick für mich war. Bestimmt werde ich mich im Lauf der Zeit daran gewöhnen, und ich liebe ihn um seiner selbst willen, nicht wegen seines Gesichts, seines Körpers oder sonstiger Äußerlichkeiten. Ich liebe ihn für seine Hingabe und seine Güte, für sein Bedürfnis, sich um alles und jeden zu kümmern. Er ist wie der Vater der ganzen Welt, der auf seine Kinder und seine Tiere Acht gibt. Und auf seine Männer. Wäre er nicht Soldat, würde er als Feuerwehrmann oder Polizist oder so etwas arbeiten, weil er nun einmal ein Mensch ist, der sich um alles kümmern und dafür sorgen will, dass Recht und Ordnung herrschen.
Ich muss an unsere erste Begegnung denken, damals im Café einer Buchhandlung im Citadel-Einkaufszentrum. Ich hatte neue Bilderbücher für meine Klasse – meine erste eigene Klasse! – gekauft, und er war mit einer Frau verabredet gewesen. Er fiel mir sofort auf. Er trug seine Uniform, was wohl alle Frauen aufregend finden, obwohl man sich, wenn man in einer Militärstadt aufwächst, daran gewöhnt.
Aber da stand er: Oscar. Über einen Meter achtzig groß, mit diesen wunderschönen grünen Augen, den dunklen Locken und den hohen Wangenknochen, die ihm etwas Katzenhaftes verliehen. Ich konnte den Blick nicht von ihm lösen. Und als er mich dabei ertappte, dass ich ihm einen zweiten Blick über die Schulter zuwarf, zwinkerte er mir zu. Die Art, wie er lächelte und dabei diese kräftigen weißen Zähne entblößte, sagte mir sofort, dass er zu den Menschen gehört, die Verantwortung übernehmen. Die immer alles im Griff haben.
Natürlich trifft das nicht immer zu. Lacey, die ihn wieder und wieder betrogen hat, bis er sich am Ende von ihr trennte, konnte er nicht kontrollieren.
Und diese Situation genauso wenig. Was ein Teil des Problems ist. Er will mich vor alldem beschützen. Ich soll nach Hause fliegen, damit ich ihn nicht so sehen muss.
Wir haben uns deswegen gestritten. Ich stand neben seinem Bett und sang ein Kinderlied, von dem ich weiß, dass es ihn in den Wahnsinn treibt, Auf der Mauer, auf der Lauer . Ich weiß nicht, wieso er es nicht ausstehen kann, aber es ist so, deshalb sang ich es wieder und wieder.
Schließlich sah er auf. »Wieso tust du das?«
»Weil ich will, dass du mich endlich zur Kenntnis nimmst. Ich will, dass du mit mir redest. Wenn nicht, singe ich einfach weiter. Und ich kenne viele dieser idiotischen Lieder, das kannst du mir glauben.«
Er starrte mich durchdringend an. Und die Wahrheit ist: Seine Augen sind immer noch dieselben. Die schönsten grünen Augen der Welt. Nicht hellgrün, sondern eher wie ein Teich im Wald, der so still daliegt, dass man die gelblichen Steine auf dem Grund erkennen kann. Katie hat seine Augen geerbt, und ich bete jeden Tag zu Gott, dass unser Baby sie auch bekommt.
Ich berührte seine Fingerspitzen, die verschont geblieben sind. »Du darfst uns nicht aufgeben, Oscar. Wir lieben dich.«
Er starrte mich noch immer an. Ich sah eine Million Dinge in diesen grünen Augen, aber er sagte kein Wort.
Also fing ich wieder an zu singen. Er versuchte, mich zu ignorieren, und schloss die Augen, als würde ich dadurch verschwinden.
Nach dem
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