Mit einer Prise Glück und Liebe
siebten Lied knurrte er: »Genug jetzt.«
»Rede mit mir, dann höre ich auf.«
»Was soll ich denn sagen, Sofia? Dass alles wieder gut wird? Das wäre eine Lüge. Mein Gesicht ist zerstört, ich bin ein Krüppel und habe keine Ahnung, was ich machen soll, wenn ich nicht mehr Soldat sein kann. Vielleicht hätte ich mir das vorher überlegen sollen, aber ich hätte nie gedacht …«
Ich stand da und hörte ihm zu.
Er wandte das Gesicht ab. Er weinte nicht, aber seine Stimme war rau, weil er so lange nicht mehr gesprochen hatte. »Ich kann noch nicht mit dir reden, Sofia. Ich schaffe es einfach nicht. Bitte zwing mich nicht dazu.«
In diesem Moment kam die Schwester herein und meinte, es sei Zeit, sich um die Wunden zu kümmern. »Es ist ziemlich schlimm«, sagte sie. »Sie müssen draußen warten.«
Trotzdem hörte ich ihn schreien.
Gott, ich muss meine Mutter anrufen. Ich wünschte, sie wäre hier.
VIERZIG
Ramona
N ach dem Essen geht Katie nach oben, während ich ruhelos durch die Wohnung streife. Hoffentlich meldet sich Sofia bald. Es ist ungewöhnlich, dass ich tagelang nichts zu tun habe; so ungewöhnlich, dass ich nichts mit mir anzufangen weiß. Ich setze mich auf die Veranda und überlege, ob ich Ryan anrufen soll. Oder Sarah, die seit ihrer Rückkehr aus Indien von einem Termin zum nächsten hetzt. Vielleicht könnte sie ja vorbeikommen und mir von ihrer Reise erzählen.
Schließlich greife ich zum Hörer und tue, was ich mir den ganzen Tag über verkniffen habe: Ich rufe Jonah an.
»Hallo.« Er klingt, als würde er sich aufrichtig freuen, von mir zu hören. »Warum bist du denn noch so spät auf?«
Es ist neun Uhr. Ich lache. »Tja, ich muss morgen früh nicht aufstehen, deshalb führe ich ein Leben in Dekadenz und Ausschweifung.«
»Keine Arbeit morgen?«
Ich seufze. »Es war ein übler Tag. Ich habe überlegt, ob du vorbeikommen und dich eine Weile mit mir in den Garten setzen willst.«
»Jetzt?«
»Ja. Es sei denn, du bist beschäftigt.«
»Ich bin in zwanzig Minuten da. Ich muss nur noch etwas fertig machen, aber dann komme ich.«
Ich gehe in die Küche und hole eine Orange und zwei Gebäckstücke, die gegessen werden müssen, mein Telefon, falls Sofia anruft, eine Stola und eine Decke zum Draufsetzen. Dann wasche ich mir die Hände und das Gesicht und gebe mir einen Spritzer Parfum hinters Ohr, von dem er gemeint hat, es rieche so gut. Nicht alle Männer haben etwas für Parfum übrig, aber ich kaufe mir manchmal einen Flakon in einem Laden in Manitou, dessen Besitzerin die Parfums selbst herstellt und ihnen fantasievolle Namen gibt.
Mit der Stola um die Schultern warte ich auf der Veranda. Als ich Jonah die Einfahrt heraufkommen sehe, scheint es, als flöge alles in mir ihm förmlich entgegen. In der Realität stehe ich auf und gehe die Treppe hinunter. Er trägt ein helles Hemd zu seinen Jeans, und wieder einmal kommt die Erkenntnis wie ein kleiner Schock: Das ist Jonah , der vor mir steht.
Er gibt mir einen Kuss. »Hi.«
Ich nehme seine Hand. »Lass uns in den Garten gehen.«
Ich führe ihn den alten Weg zwischen dem Haus und den Fliedersträuchern entlang in den Garten. Die kühlen Blätter streifen unsere Arme.
Wir setzen uns auf die Gartenschaukel. »Willst du mir von deinem Tag erzählen?«
Ich schütte ihm mein Herz aus, erzähle von meiner Angst und meiner Sorge um Sofia, von ihrer knappen SMS, der Boiler-Katastrophe, dem Streit mit meiner Schwester, die mir ihre Hilfe verweigerte, und meiner Furcht, meinen Vater anzurufen, den ich aber sowieso nicht erreicht habe.
»Ziemlich mieser Tag.«
Ich nicke. »Und ich werde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas wirklich Schlimmes in der Luft liegt.«
»Ich kenne dieses Gefühl.« Er nimmt meine Hand. »Ich überlege, meinen Job zu kündigen.«
»Ich dachte, du bist wegen dieses Jobs hergekommen.«
»Gegen die Organisation an sich gibt es auch nichts einzuwenden. Es ist ein gutes Gefühl, für sie zu arbeiten, aber ich wurde nach Ideen für ein paar Filmsongs gefragt. Ein Freund von mir arbeitet gerade daran, und …« Er zuckt die Achseln. »Ich dachte, es ist den Versuch wert.«
»Jonah, das ist ja wunderbar. Ich freue mich so für dich.«
»Danke.« Sein Handy in der Hosentasche läutet. Ein Anflug von Traurigkeit erscheint auf seinen Zügen. Er macht keine Anstalten, abzuheben.
»Es stört mich nicht, wenn du rangehst.«
Er schüttelt den Kopf. »Das ist meine Ex. Sie ruft fast jeden Abend an, und ich bringe es
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