Mit einer Prise Glück und Liebe

Notiz und ein Stück pain au chocolat daneben. Katie stört es nicht, dass Ramona mit Jonah unterwegs ist. Er scheint sie sehr gernzuhaben und ist ein netter Kerl. Es gefällt ihr, dass er gut kochen kann, sein Haus blitzblank geputzt ist und dass er … Klasse hat. Nach allem, was sie von Lily weiß, hat Ramona lange Zeit unter der Trennung von ihrem Mann gelitten, deshalb ist es gut, dass jetzt ein anderer Mann in ihr Leben getreten ist.
    Sie schenkt sich ein Glas Milch ein und trägt es mit dem pain au chocolat zum Computer. Drei Mails sind in ihrem Posteingang. Eine von Sofia. Eine von Madison, ihrer Freundin in El Paso. Und die dritte von ihrer Mutter. Sie liest sie nacheinander. Sofias Mail ist ganz kurz. Sie schreibt von Oscar und bedankt sich bei Katie, weil sie ihm jeden Tag geschrieben hat. Ihre Mails würden ihm helfen, schreibt sie. Er höre ganz genau zu, wenn sie sie ihm vorlese.
    Aber wieso antwortet er dann nicht? , schreibt Katie zurück.
    Dann liest sie Madisons Mail. Nicht einmal zwei Monate sind vergangen, seit sie El Paso verlassen hat, und doch erscheint ihr ihre Freundschaft wie etwas aus einem anderen Leben. Madison schreibt, sie hätte im Schwimmbad einen Jungen kennengelernt, außerdem hätte sie ihrer Mutter eine Zigarette aus der Handtasche stibitzt und würde sich jetzt einen BH mit B-Körbchen kaufen!
    Katie kann es nicht fassen, dass sie sieben Jahre lang ihre beste Freundin war.
    Als Letztes liest sie die Mail ihrer Mutter:
    HI KATIE BABIE !
    DEINE ALTE MOM ISS SUPERSTOLZ AUF DICH WEIL DU MIR SO VIEL GELD HERSCHICKST . DU ARBEITEST ZIEMLCIH HART DAFÜR , WAS ? WAS MUST DU DENN TUN DAMIT DU DIE KOHLE KRIEGST ? ICH ZIEH HIER MEIN PROGAMM DURCH ABER DIESER LADEN NERVT MICH UND ALL DIE BLÖDEN SACHEN DIE ICH MACHEN MUSS . ICH SEH SCHON TAUSENDMAL BESSER AUS UND MEIN GESICHT ISS AUCH NICH MEHR SO SCHLIMM WÜRDEST STUAUNEN . WAS LÄUFT SO BEI DIR ? WIE GEHT ’S DEIN HUND ? ICH BRAUCH NOCH MEHR GELD MUST MIR NOCH WAS SCHICKEN . ICH HAB ÜBERLEGT OB DU NICH HERKOMMEN KANNST . DIE LASSEN MICH EINE STUNDE AM TAG RAUS WENN ICH MEIN KIND SEHEN WILL UND DANN MUSS ICH WIEDER REIN ABER DU KÖNNTEST MIT DEM BUSS RUNTERKOMMEN UND BEI DEN PETROSKYS WOHNEN . DANN KÖNNTE ICH JEDEN TAG EINE STUNDE RAUS UND DICH SEHEN . DU FEHLST MIR SO UND ICH WÜRD DICH SO SO SO GERN SEHEN . ICH GLAUB DER BUS KOSTET NICH SO VIEL , VIELLICHT ZAHLT RAMONA DIR JA DIE FAHRTKARTE . WIE KLINGT DAS ? SCHREIB MIR .
    HAB DICH LIEB MOM
    Lange Zeit sitzt Katie reglos auf ihrem Stuhl. Ihre Brust fühlt sich ganz hohl an, so als wäre alle Luft aus ihren Lungen gepresst worden. Sie holt tief Luft, aber das Gefühl geht nicht weg.
    Sie will nicht nach El Paso fahren und ihre Mutter besuchen. Sie will ihr weiterhin Geld schicken und hoffen, sie damit daran zu hindern, dass sie weiter darauf beharrt. Sie hat überlegt, ihrer Mutter zu erzählen, dass sie ihre erste Periode bekommen hat, damit sie auf dem Laufenden ist (sie hat ein schlechtes Gewissen, weil Ramona und Lily sich wie Mütter benehmen, obwohl sie sich darüber gefreut hat). Stattdessen schreibt sie:
    Hi, Mom,
    Merlin geht’s gut. Mir auch. Ich habe dir gestern noch mal Geld geschickt. Es sollte bald ankommen. Am Montag gehe ich zu einer großen Blumenausstellung, deshalb dauert es vielleicht eine Weile, bis ich mich wieder melde. Aber ich hab dich sehr lieb,
    Katie

VIERUNDVIERZIG
    Ramona
    I ch beschließe, den Freitag und den Samstag für einen Großputz in der Bäckerei zu nutzen, und gebe Katie Geld dafür, dass sie mir hilft. Es ist die perfekte Gelegenheit, außerdem ist Katie auf diese Weise eine Zeit lang beschäftigt. Das Geld geht zwar garantiert auf direktem Weg zu ihrer Mutter, aber es ist ihre Entscheidung. Wenigstens kauft sie von einem Teil ihres Verdiensts auch etwas für sich – kürzlich hatte sie hellblau lackierte Fingernägel, dann trug sie ein hübsches Paar Sandalen, das ich vorher noch nie gesehen habe. Als ich sie darauf anspreche, sagt sie: »Ein echtes Schnäppchen! Zwei Dollar, ist das zu fassen? Sie sind noch ein bisschen groß, aber schließlich wachsen meine Füße noch, oder?«
    Am Sonntag fragt Lily, ob Katie sie zum Flughafen begleiten will, aber sie lehnt ab und verbarrikadiert sich den ganzen Nachmittag in ihrem Zimmer. Ich lasse sie schmollen und nehme einen weiteren Punkt auf meiner Liste in Angriff: ein Gespräch mit meiner Schwester.
    Unser Zwist dauert inzwischen lange genug. Ich werde diesen Zustand nicht länger dulden.
    Wie ich