Mit einer Prise Glück und Liebe
Speisekarte?«
Sie hebt eine Braue und sammelt die Papiere zusammen. Dann nickt sie.
»Wow.«
»Aber das ist wohl nicht der Grund, weshalb du hergekommen bist.«
»Nein.« Ich straffe die Schultern und blicke in ihre strahlend blauen Augen. »Ich bin diesen endlosen Krieg zwischen uns leid und will ihn beenden.«
»Welchen Krieg?«, fragt sie gereizt. »Mach doch nicht aus allem so ein Drama.«
Ich denke an Jonah und frage mich, wie er diesen Konflikt wohl lösen würde. »Mag sein, dass es kein Krieg ist«, räume ich ein, wobei ich seinen sanften Tonfall imitiere. »Sondern eher eine Unstimmigkeit, eine unterschiedliche Sicht der Dinge. Aber eines weiß ich sicher …« Ich halte inne und beiße mir auf die Lippe. »Ich vermisse meine Schwester. Ich hasse es, dass wir nie mehr anständig miteinander reden und dass du so sauer auf mich bist. Ich weiß nicht, wieso, deshalb kann ich auch nichts dagegen unternehmen.«
Alle Farbe ist aus ihren Wangen gewichen. Schon als Mädchen hatte sie diese glatte Haut, diesen perfekten Prinzessinnenteint. »Ich würde dieses Gespräch lieber nicht hier führen«, erwidert sie und blickt über die Schulter. »Und auch nicht jetzt.«
»Ich weiß. Das Problem ist nur, dass ich erst wieder gehe, wenn wir über alles geredet haben. Und falls du vorhast, aufzustehen und wegzugehen« – ich strahle sie an –, »werde ich dir einfach hinterherlaufen.«
»Wieso tust du das?«, fragt sie mit leiser Stimme.
»Weil du in mein Geschäft gekommen bist und mich angeschrien hast, als wäre ich ein kleines Kind«, antworte ich ebenso leise. »Weil ich dich um Hilfe gebeten habe und du sie mir verweigert hast, und weil man so etwas als Familie nicht tut.«
»Oh, was man als Familie so alles tut!« Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen, als sie sich über den Tisch beugt. » Du kannst tun, was du willst und wann du es willst, und wenn du uns wieder brauchst, kommst du einfach angetanzt und erwartest, dass man dir alles verzeiht?«
»Was habe ich denn getan, was mir verziehen werden sollte, Steph?«, frage ich und lege mir die Hand auf die Brust. »Was habe ich getan?«
Sie stößt ein ungläubiges Schnauben aus und sieht wieder über ihre Schulter. »Fangen wir damit an, dass du mit dem Erzfeind deines eigenen Vaters ins Bett gehst.«
Ich schüttle den Kopf. »Das war erst danach.«
»Und was ist damit, dass du einfach abgehauen und uns und das Restaurant im Stich gelassen hast?«
»Das stimmt, das habe ich tatsächlich getan.« Es fällt mir schwerer, ruhig zu bleiben, als ich gedacht hatte. Ich wende den Blick ab, denke an kühle Bergluft, die in meine Lungen dringt und mich besänftigt. »Aber wir wissen beide, dass es nicht richtig war, Dane als Geschäftsführer zu behalten, obwohl er mich so schändlich betrogen hat, und zwar mehrfach.«
Sie verdreht die Augen. »Gütiger Himmel, das ist Jahre her.«
»Aber wir reden doch gerade darüber, was vor all diesen Jahren passiert ist.« Ich beuge mich vor. »Was habe ich sonst getan, wofür man mir verzeihen muss? Sag es mir, und ich entschuldige mich auf der Stelle.«
»Du kriegst immer, was du willst. Einmal mit den Fingern schnippen, und schon klappt es. Du segelst einfach so durchs Leben, und alle lieben Ramona.«
Ich blinzle ungläubig. »Durchs Leben segeln? Wodurch? Durch eine Schwangerschaft mit fünfzehn? Durch …«
»Das ist die Karte, die du immer ziehst, wenn es eng wird. Als wärst du der einzige Mensch auf der Welt, der es als Teenager schwer hatte. Aber andere haben auch Probleme. Vielleicht kapierst du das endlich.«
Einen Moment lang würde ich am liebsten aufspringen und aus dem Restaurant stürmen. Stattdessen bleibe ich sitzen. Ganz ruhig. Und entschlossen. »Du sagst, ich sei so unbeschwert durchs Leben gesegelt. Ich sehe das ein bisschen anders. Ich finde, ich hatte es nicht gerade leicht.«
»Nicht schwerer als jeder andere auch.«
Ich lasse mich gegen die potthässliche grüne Sitzbanklehne sinken. Vielleicht hat sie ja Recht. »Ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen soll. Kannst du mir verzeihen, dass mir alles in den Schoß gefallen ist? Dass ich es nicht schwerer hatte als andere?« Ich runzle die Stirn. »Trotzdem glaube ich nicht, dass es bei unserem Krieg in Wahrheit darum geht.«
»Hör endlich auf, von Krieg zu sprechen«, blafft sie mich an und schiebt mit einer abrupten Bewegung die Blätter zusammen. »Ich bin es schlicht und ergreifend leid, dass du immer im Mittelpunkt stehst. So
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