Mit einer Prise Glück und Liebe
mitsamt dem riesigen Erdklumpen daran quer durch den Garten schleudern kann. »Eigentlich sollte Lily mit mir zur Blumenausstellung fahren, aber jetzt ist sie zu Sofia nach Texas geflogen. Dann wollte Ramona mit mir hingehen« – sie macht sich an der nächsten Pflanze zu schaffen –, »aber sie muss wegen dieses blöden Boiler-Typen hierbleiben, oder was weiß ich.« Die Unkrautpflanze lässt sich etwas leichter herausreißen, was das Ganze weit weniger befriedigend macht. »Niemanden interessiert es, wie ich darüber denke oder dass ich mich seit mindestens zehn Jahren darauf gefreut habe.«
»Lily hat ein schlechtes Gewissen, weil sie während Ramonas Schwangerschaft so gemein zu ihr war, und versucht deshalb ständig, es wiedergutzumachen.«
»Wirklich?« Katie richtet sich auf und sieht die alte Frau an. »Was hat sie denn getan?«
»Sie hat sie über den Sommer zu ihrer Schwester Poppy geschickt, dann hat sie zugelassen, dass ihr Dad ihrer Schwester den Job im Restaurant gibt, den Ramona so gern haben wollte, und am Ende haben sie sich fürchterlich gestritten, weil Lily wollte, dass Ramona Sofia nach der Geburt zur Adoption freigibt.« Die alte Frau schlägt ihre Handschuhe aneinander, woraufhin eine dichte Staubwolke aufsteigt. »Unter uns gesagt glaube ich, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, weil sie so wütend auf Ramona war, weil die ihr Kind nicht im Stich lassen wollte.«
»Weil sie Sofia so liebt.«
»Beziehungen sind eine komplizierte Sache. Lily hat sie mies behandelt, weil ihre eigene Mutter sie mies behandelt hat.«
»Wirklich?«
»Sie hat ihr die Seele aus dem Leib geprügelt, als sie fünfzehn war. So schlimm, dass sie heute noch Narben hat. Diesen Vorfall hat sie nie verwunden, und sie hat ihrer Mutter nie verziehen.«
»Wie traurig.« Katie denkt an ihre eigene Mutter. »Ich habe meiner Mutter verziehen. Aber sie hat mich nie geschlagen, selbst wenn sie noch so high war.«
»Manchmal kann man jemanden lieben und ihm verzeihen und trotzdem lieber auf Distanz bleiben.«
»Was wissen Sie schon? Sie kennen meine Mutter ja noch nicht einmal.«
Die alte Frau nickt. »Das stimmt. Ich habe auch von niemand Bestimmtem gesprochen, sondern nur so ganz allgemein. Vielleicht war es ja richtig, dass Lily ihrer Mutter nie verziehen hat, obwohl ihre Mutter es sich sehnlichst gewünscht hat.«
Katie spürt diese Mischung aus Beklommenheit, Besorgnis und Erleichterung, die sie jedes Mal überfällt, wenn sie an ihre Mutter denkt. Beim Anblick des Rosenstrauchs fällt ihr die Blumenausstellung wieder ein. Sie runzelt die Stirn. Vielleicht sollte sie ja einfach allein hinfahren. Sie ist schließlich schon dreizehn! Sie könnte den Bus nehmen. Außerdem interessiert es ja sowieso keinen, was sie tut.
»Ich muss los«, sagt sie zu der alten Frau. »Bis dann.«
Ramona ist immer noch in der Backstube und redet mit dem Monteur, der mit einem Hammer auf irgendetwas eindrischt. Katie pirscht die Hintertreppe hinauf und fährt den Computer hoch. Sie wird einfach auf Google nachsehen, wo die Blumenausstellung stattfindet, und mit dem Bus hinfahren, so wie sie es in El Paso ständig gemacht hat. Die Haltestelle ist nur einen Block von hier entfernt. Ihr Dad hat sie immer für ihren hervorragenden Orientierungssinn gelobt, und zwar zu Recht. Es ist, als hätte sie eine Straßenkarte im Kopf abgespeichert. Sie verirrt sich nie.
Sie sucht alles zusammen, was sie braucht: den Busfahrplan und die Adresse der Blumenausstellung. Sie wird sich all die Blumen ansehen und dann wieder nach Hause fahren. Einen Moment lang überlegt sie, ob sie Ramona um Erlaubnis bitten soll, aber Ramona interessiert sich ja sowieso nicht dafür, wie es ihr geht, weshalb sollte Katie sich dann dafür interessieren, wie es Ramona geht?
In ihrem Posteingang ist eine Mail von ihrer Mutter, aber sie wird sie erst später lesen. Sie hat ein schlechtes Gewissen, trotzdem ist sie fest entschlossen, ihren Plan durchzuziehen, und ihr bleibt nicht viel Zeit, bis der nächste Bus fährt. Sie läuft nach oben in ihr Zimmer, zieht ein Paar Shorts und ein T-Shirt an, ehe sie ihre gesamten Ersparnisse zusammensucht und in ihre Tasche steckt.
Merlin folgt ihr die Treppe hinauf und wieder hinunter. Sie muss ein paar Leckerli auf den Boden legen, um aus der Küche schlüpfen zu können, ohne dass er mitkommt. Sie schleicht die Treppe hinunter und schlüpft durch die Seitentür hinaus. Endlich steht sie auf dem Bürgersteig. Sie ist frei!
Als der
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