Mit einer Prise Glück und Liebe
denkt sie mit wachsender Aufregung. Kann man aus der Blumenzucht einen Beruf machen?
Mit dem Geld, das Ramona ihr nach dem Großputz der Backstube gegeben hat – sechzig Dollar, weil sie fast den ganzen Freitag und Samstag geschuftet hat –, kommt sie allerdings nicht allzu weit. Es gibt so vieles zu kaufen: winzige Topfpflanzen, spezielle Blumenzwiebeln und sogar Bücher. Außerdem hat sie einen Bärenhunger und kauft sich einen Hotdog und eine Coke, wofür sie fünf Dollar hinblättern muss. Das restliche Geld gibt sie für die Dahlien aus.
Da sie den Karton mit den frischen Blumen nie im Leben unbeschadet mit dem Bus nach Hause transportieren kann, fragt sie eine ältere Frau, ob sie ihr Handy benutzen dürfe.
»Natürlich, bitte.«
Katie holt tief Luft und drückt die Tasten. Ramonas atemlose Stimme verrät Katie, dass sie gerannt ist. »Hallo?«, sagt sie mit ängstlich-besorgter Stimme.
»Hi, Ramona, hier ist Katie. Ich bin zur Blumenausstellung gefahren, und ich weiß, dass du bestimmt sauer auf mich bist, aber ich kann nicht mit dem Bus zurückfahren. Könntest du mich abholen?«
»Du hast so was von Ärger am Hals.«
»Ich weiß.«
»Ich bin in einer halben Stunde da. Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung?«
Katie kämpft mit den Tränen. »Ja«, sagt sie. »Ramona?«
»Ja?«
»Es tut mir wirklich leid. Aber ich konnte nicht anders.«
»Wir reden später darüber.«
SIEBENUNDVIERZIG
Ramona
I ch bin in der Backstube. Es ist kurz vor Mitternacht. Hinter mir liegt ein Tag voller Kummer und Sorgen – Sorgen um Sofia und Oscar, um Katie und wegen des vielen Geldes, das mich die jüngste Katastrophe mit dem Boiler gekostet hat. Er ist zwar installiert und funktioniert reibungslos, aber ärgerlicherweise hat der Inspektor es nicht geschafft, heute noch vorbeizukommen, obwohl ich mit Engelszungen auf ihn eingeredet habe, was mir noch einen weiteren Tag ohne Umsatz beschert.
Aber ich muss mich um die Mutterteige kümmern. Es sind lebende Organismen, die meiner Fürsorge bedürfen. Nacheinander nehme ich sie aus dem Kühlschrank, rühre die Masse mit dem Holzlöffel kräftig durch, werfe die Hälfte weg und frische den Rest mit den entsprechenden Mehlen auf: Adelaides Mutterteig braucht gewöhnliches Weißmehl; der dunkle Roggenteig mit Malzucker und Melasse, mit dem ich gerade experimentiere, muss zur Hälfte mit Weißmehl, zur Hälfte mit Roggenmehl gefüttert werden, während die levains , die europäischen Sauerteige, am besten mit einer Mischung aus Weiß- und Weizenvollkornmehl gedeihen.
In der Stille des späten Abends stehe ich in der Backstube und rühre und rieche und probiere die Mutterteige. Es ist meine Aufgabe, mich um sie zu kümmern, damit ihre Nachkommen kräftig und gesund sind und anständig wachsen können, um die Basis für die Brote zu liefern, die wir täglich aus ihnen backen. Adelaides Teig ist ein sehniges, kräftiges Ding mit der ausgeprägten Säure, die die typisch lockere Porung im Sauerteig gewährleistet. Mit geübten Bewegungen ziehe ich die elastischen Teigstränge in die Länge und sehe zu, wie sie wieder zurückschnellen, beinahe wie dicke Gummibänder, während ein scharfer, stechender Geruch durch den Raum zieht.
Ich darf zwar im Augenblick kein Brot an Kunden verkaufen, aber keiner kann mir verbieten, welches zu backen. Ich nehme den Tochterteig von Adelaides Mutterteig, gebe ihn mit Salz und Weißmehl in die Teigmaschine und lasse die Masse durchkneten.
Ich arbeite mechanisch, ohne darüber nachzudenken, während Bilder vor meinem inneren Auge aufblitzen wie Goldfische in den Tiefen eines Teichs – Bilder von Sofia, von Oscar, von meiner Mutter, die mich heute Abend angerufen hat, um mir zu sagen, dass sie gut angekommen ist und alles unter Kontrolle hat.
Als Nächstes sehe ich Katie vor mir, wie sie mit ihrem Karton voller Blumen vor dem Hotel stand. Es ist das eindringlichste Bild von allen, das mir nicht aus dem Sinn gehen will. Als ich vor dem Hotel vorfuhr, war ich außer mir vor Wut auf sie, weil ich vor Sorge beinahe den Verstand verloren hatte – doch in Wahrheit war meine Wut auf sie nichts als eine Fassade, hinter der sich meine panische Angst um sie verbarg.
Und mein schlechtes Gewissen, weil ich ihr die Wahrheit über ihren Vater vorenthalte. Andererseits wäre keinem geholfen, wenn ich ihr erzählen würde, dass er versucht hat, Selbstmord zu begehen, oder?
Es gibt nur ein Problem: Ich habe versprochen, ihr gegenüber immer ehrlich zu
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