Mit einer Prise Glück und Liebe
Ahnung«, sagte ich. »Jedenfalls weg von meiner Mutter.«
»Spring rein. Wir können zur Raststätte fahren und dort eine heiße Schokolade trinken.«
Ich hätte so gern Ja gesagt, aber ich hatte schon mehr als genug Ärger am Hals. Und ich musste an das Baby denken. »Tut mir leid, aber ich kann nicht. Meine Mutter ist sowieso schon auf hundertachtzig. Trotzdem danke.«
»Deine Tante hat mich angerufen.« Er hatte sein Haar mit einem Lederband im Nacken zusammengebunden und ließ den Ellbogen lässig aus dem Fenster hängen. Er sah supersexy aus. »Sie meinte, du wärst ziemlich durcheinander und bräuchtest vielleicht einen Freund zum Reden.«
»Oh.« Trotzdem konnte ich mich nicht überwinden, zu ihm in den Wagen zu steigen – aus Angst, von meinen Gefühlen überwältigt zu werden, wenn ich so dicht neben ihm saß. Aber Poppy hatte völlig Recht. Ich musste mit jemandem reden, der neutral war, und niemand schien so geduldig zu sein wie er. »Okay.«
Ich ging um den Wagen herum und stieg genau in der Sekunde ein, als die ersten dicken Tropfen vom Himmel fielen und aufs Dach zu prasseln begannen. Der Wagen war alt, aber wunderschön. Aus einem Impuls heraus streckte ich die Hand aus und strich übers Armaturenbrett. »Ist das aus Holz? Ich habe noch nie ein Auto mit so einem Armaturenbrett gesehen.«
Er nickte. »Es ist bildschön, das stimmt. Es ist mein erstes eigenes Auto, und ich habe bisher keinen Grund gesehen, mir ein anderes zuzulegen. Ich habe es selbst in Schuss gebracht.«
»Cool.«
Ich saß auf dem Beifahrersitz, lauschte dem Quietschen der Scheibenwischer und dem Prasseln der Regentropfen und spürte, wie ich mich allmählich entspannte. Im Radio lief leise Fernando .
»Ich liebe diesen Song«, sagte ich.
Er drehte lauter.
»Du etwa auch?«, fragte ich erstaunt.
»Er ist sehr traurig«, sagte er. »Du hörst gern gefühlvolle Musik, stimmt’s? Songs, die eine Geschichte erzählen.«
»Kann sein.«
»Wenn du einen Song hörst, siehst du dann Bilder, oder spürst du ihn eher in deiner Brust? Oder keines von beidem?«
Nachdenklich zwirbelte ich mir eine Haarsträhne um den Finger. »Bilder. Ich sehe eine Art Film. Und wenn es ein besonders trauriger Song ist, spüre ich die Musik in meinem Herzen. Und wenn er fröhlich ist, wohl auch.« Ich fragte mich, ob das die richtige Antwort gewesen war. »Was ist mit dir?«
»Ich nehme Songs in Farben wahr. Dieser hier ist silbrig, mit ein bisschen Grün. Die Teile mit den Trommeln sind rotbraun.«
»O mein Gott! Du hast Recht! Ich sehe es auch. Diese Flötentöne sind silbern, stimmt’s?«
Er sah mich an. Ein aufrichtiges Lächeln breitete sich auf seinem ernsten Gesicht aus. »Ja. Ganz genau!«
Wir fuhren auf den Parkplatz der Raststätte. Er war fast leer, und es regnete noch immer in Strömen. »Bist du bereit?«
Ich grinste. »Ja.«
»Also gut. Auf die Plätze, fertig, los!«
Wir rissen die Türen auf, sprangen aus dem Wagen und liefen los, wobei wir uns schützend die Hände über den Kopf hielten. Jonah erreichte das Gebäude als Erster und schob mich nach drinnen. Wir setzten uns in eine Nische im Nichtraucherbereich. »Ich nehme nur einen Kaffee«, sagte Jonah, als die Kellnerin, eine kleine, kurvige Blondine mit aufgetürmter Frisur, an unseren Tisch trat. »Wie sieht’s mit dir aus, Ramona?«, fragte er.
»Ich hätte gern eine heiße Schokolade.«
»Also, erzähl mir, was passiert ist«, sagte Jonah, als die Kellnerin verschwunden war.
Ich sah aus dem Fenster, an dem der Regen in Schlieren herunterlief. »Meine Mutter ist total sauer auf mich. Ich glaube, am liebsten würde sie mich packen und durchschütteln. Sie will unbedingt, dass ich das Baby weggebe. Und alle anderen wollen das auch.«
Er faltete die Hände auf der Tischplatte – die rechte über der linken, damit man seine deformierten Finger nicht sehen konnte. »Und du willst das nicht, ja?«
Ich beugte mich vor und legte beide Handflächen auf den Tisch. »Erinnerst du dich an den Tag, als du mir diese klassische Gitarrenmusik vorgespielt hast? Ich habe das Baby tanzen gespürt. Ich glaube, erst seit diesem Tag ist mir wirklich bewusst, dass ein Mensch in mir heranwächst.«
Er nickte, ohne den Blick von mir zu lösen.
»Ich bin völlig durcheinander«, fuhr ich fort. »Vielleicht haben sie ja Recht. Sie lieben mich. Das weiß ich. Oder?«
»Ja. Du liegst ihnen mehr am Herzen als alles andere.«
»Aber ich glaube« – ich legte mir die Fingerspitzen auf die
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