Mit einer Prise Glück und Liebe
muss auflegen«, sagt sie dann. »Die Ärzte gehen gleich zu ihm rein.«
»Ich hab dich lieb. Sag Bescheid, wenn du etwas brauchst.«
»Danke. Ich hab dich auch lieb, Mom.«
Ich bleibe mit dem Telefon in der Hand im dunklen Garten stehen und sende ein Gebet an meine Tochter, die so weit weg ist. Pass auf dich auf. Und sei stark . Eine Brise lässt die Sonnenblumen sanft schwanken, und mein Kater kommt aus dem Gebüsch. Einen Moment lang sieht es so aus, als würde da jemand stehen, doch dann schiebt sich eine Wolke vor den Mond, so dass es zu dunkel ist, um etwas zu erkennen.
Das Brot wartet auf mich.
Jimmy erwartet mich mit gerunzelter Stirn an der Hintertür. »Könnte sein, dass wir ein Problem haben.« Sie hält mir einen Holzlöffel hin. »Adelaides Starter.«
Noch bevor mir der Geruch richtig in die Nase steigen kann, weiß ich, dass er zu sauer geworden ist. »Na so was«, sage ich, stippe mit dem kleinen Finger hinein und gebe mir einen Klecks auf die Zunge, den ich jedoch sofort wieder ausspucke. Ich hätte ihn nicht füttern dürfen, als ich so wütend auf meine Schwester war. Außerdem bin ich immer noch völlig durcheinander wegen Sofia. »Wir werden Folgendes tun: Du siehst zu, was du aus den anderen noch machen kannst. Ich wasche diesen hier und frische ihn heute Nachmittag auf.«
Sie nickt. »Irgendwelche Vorschläge, was wir statt der Rustikas backen könnten?«
»Ich überlasse die Entscheidung dir, Jimmy.«
Ihre gepiercte Braue schnellt hoch. Sie mustert mich mit argwöhnischer Verblüffung. »Entscheidung. Mir.«
Ich lache. »Ja. Es ist höchste Zeit dafür. Überleg dir etwas und lass uns anfangen.«
»Käse-Kräuter-Focaccia«, sagt sie vorsichtig. Sie wünscht sich seit einer halben Ewigkeit, die Focaccia ins Sortiment zu nehmen.
»Perfekt.« Ich trage den Starterteig zur Arbeitsfläche. Selbst seine Farbe ist zu einem fahlen Rosa verblasst, als hätte ihm die schwelende Wut auf meine Schwester jegliche Intensität geraubt. Ich werde ihn später abwaschen müssen, aber für den Augenblick konzentriere ich mich darauf, was wir morgen früh unseren Kunden anbieten können. Baguettes, denke ich. Das einfachste und zugleich beste Brot der Welt. Ich wasche mir die Hände und versinke in der tröstlichen Welt von Mehl, Salz, Hefe und Wasser – den stets gleichbleibenden Ingredienzien des Brotes.
Ramonas Brotgeheimnisse
Die Pflege des Mutterteigs
Starter sind robuster, als man annehmen würde – trotz all der Legenden über die Minenarbeiter, die sie nachts mit ihren Körpern gewärmt haben, damit sie nicht von der Kälte kaputtgehen. Dennoch ist ein gewisses Maß an Behutsamkeit im Umgang mit ihnen unerlässlich.
Um den Mutterteig frisch und lebendig zu halten, muss er einmal pro Woche aus dem Kühlschrank genommen und aufgefrischt werden. Möglicherweise hat sich eine Schicht Flüssigkeit darauf gesammelt, die zwischen Hellgelb und Dunkelbraun variieren kann. Dies ist der natürliche Alkohol, der durch die Gärung der Hefe entsteht, und völlig normal. Als Erstes muss der Starterteig gut durchgerührt werden, dann wird die Hälfte herausgenommen und in ein frisches Glas gegeben. Die andere Hälfte wird gebacken oder weggeworfen (oder verschenkt). Zum verbleibenden Teig wird 1 Tasse Mehl und 1 Tasse Wasser hinzugegeben und kräftig untergerührt. Über Nacht stehen lassen und wieder in den Kühlschrank stellen.
Ist der Starterteig zu sauer geworden oder hat an Substanz verloren, kräftig rühren, die Hälfte in ein großes, sauberes Glas geben, 1 Tasse lauwarmes Wasser hinzugeben und rühren. Dann 1⁄2 Tasse Roggenmehl und 1 1⁄4 Tassen ungebleichtes Weißmehl unterrühren. An einem warmen Ort stehen lassen und im Auge behalten. Innerhalb weniger Stunden sollte sich der Starter sichtbar entwickeln. Am nächsten Morgen hat sich meist selbst der kraftloseste Mutterteig erholt und ist bereit für die weitere Verarbeitung.
EINUNDDREISSIG
Katie
A ls Katie aufwacht, ist Merlin bereits unten im Garten bei Ramona. Sie schlüpft in Jeans und ein T-Shirt und tappt barfuß ganz leise die Treppe hinunter, als müsste sie fürchten, dass jemand sie hören kann. In der kühlen Küche hängt noch ein leichter Geruch nach dem Abendessen von gestern. Sie fährt den Computer hoch. Währenddessen späht sie aus dem Fenster, um sicherzugehen, dass Ramona noch draußen ist. Aus der Backstube dringen die Stimmen der Mädchen herauf, die alles für den Tag vorbereiten. Es ist gerade einmal fünf Uhr.
Weitere Kostenlose Bücher