Mit einer Prise Glück und Liebe
Die Wahrheit , sage ich mir. »Okay, vielleicht sogar länger als eine Weile.«
Sie presst die Lippen aufeinander. »Er ist viel zu alt für dich.«
»Ich weiß. Aber er ist nett und charmant, und er hat mir sehr gutgetan. Durch ihn habe ich mich in einer Phase meines Lebens gut gefühlt, in der ich dachte, ich sei die hässlichste, dümmste, jämmerlichste Frau auf der ganzen Welt. Klingt das irgendwie nachvollziehbar für dich?«
»Ja.« Ein Schatten legt sich über ihre Augen. »Es tut mir leid, dass du dich so gefühlt hast. Ich hoffe, heute ist es nicht mehr so.«
»Nein. Er hat mir dabei geholfen, Mom. Aber mir ist auch klar geworden, dass er zu alt für mich ist und dass ich ihn nur benutzt habe, um mich vor meinem wahren Leben zu drücken. Deshalb habe ich mit ihm Schluss gemacht. Vor über einem Jahr.«
»Verstehe.« Wieder presst sie die Lippen aufeinander. »Danke, dass du es mir gesagt hast.«
Es läutet an der Tür. »Kommt ruhig rein! Wir sind hier oben«, rufe ich und wende mich meiner Mutter zu. »Könnte das bitte zwischen uns bleiben? Bitte?«
Sie nickt, ohne mich anzusehen.
Egal. Es ist ein Anfang. Mehr kann ich im Augenblick nicht erreichen.
Nancy und Poppy verliebten sich in jenem Sommer in Sedalia ineinander und behaupten heute, dass sie das nur mir zu verdanken hätten. Es war ein wahres Gottesgeschenk für sie beide. Mittlerweile sind sie Ende sechzig und dank regelmäßigen Yogatrainings und Wanderreisen rund um den Globus bemerkenswert fit. Poppy ist immer noch vollbusig und ein bisschen mollig, doch ihre Waden und Schultern sind von all der körperlichen Bewegung muskulöser geworden. Ihr mittlerweile stahlgraues Haar reicht ihr bis zu den Schultern. Heute Abend trägt sie ein schlichtes Top zu Wanderhosen und derben Sandalen. Nancy, hochgewachsen und gewohnt drahtig, erinnert mich in ihrem schlichten blau-weiß gestreiften Kleid und mit ihrer Vitalität und Lebensfreude an Julia Child, und als sie mit Taschen und Paketen bepackt die Küche betritt, ist es fast so, als sei der Raum von einem sanften violetten Licht erfüllt.
»Hallo, hallo!«, ruft sie und küsst mich auf die Wange. »Wie schön, dich zu sehen. Lily, du siehst wie immer fantastisch aus. Diese Farbe steht dir wirklich ausgezeichnet.« Sie legt die Päckchen auf den Tisch und atmet tief ein. »Das riecht ja köstlich. Ist das unser Essen?«
»Ja.« Lachend umarme ich Poppy und spüre, wie die Anspannung augenblicklich von mir abfällt. »Was sind denn das für Sachen?«
»Na ja, wir fanden, dass das neue Familienmitglied gebührend willkommen geheißen werden sollte. Wo ist sie überhaupt?«
»Ich weiß es nicht genau. Sie wollte sich noch umziehen. Ich rufe sie.«
Doch bevor ich an die Tür treten kann, erscheint die Vorhut mit wedelndem Schwanz und beschnüffelt die Hände unserer Besucher. »Oh, wer ist denn das?«, ruft Poppy und geht in die Hocke. Artig setzt Merlin sich, als käme er direkt aus der Hundeschule, und leckt sich das Maul, ohne Anstalten zu machen, sich auf sie zu stürzen und sie zu beschlabbern.
Nancy lächelt liebevoll. »Was für eine Promenadenmischung.«
Und dann steht Katie in der Tür – wie eine Gartenelfe, mit wild abstehendem Haarschopf. Sie trägt das Sommerkleid, das meine Mutter ihr gekauft haben muss. Es ist aus einem dünnen Stoff und hat die Farbe von frischen Blättern, die ihre Augen und den warmen Ton ihres Teints strahlen und sie noch mehr wie eine zarte Libelle wirken lässt. »Er hat mich gerettet«, sagt sie. »Er heißt Merlin.«
Nancy lächelt sie an und streckt die Hand aus. »Du musst Katie sein. Ich bin Nancy.« Sie deutet auf den Tisch. »Wir haben dir ein paar Sachen mitgebracht. Sozusagen zur Begrüßung.«
Den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie antwortet, erhasche ich einen Blick auf Katie und sehe an ihrer trotzig gereckten Nase, dass sie in Kampflaune ist. »Ich bin keine Waise. Meine Eltern können mir Sachen kaufen.«
»Katie«, sage ich, aber Nancy winkt nur ab.
»Natürlich bist du das nicht. Ich habe deinen Dad kennengelernt. Er ist ein toller Kerl – ich kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen.« Sie deutet auf die Taschen und Pakete. »Diese Sachen hier sind Spinnereien von Frauen, die nie eigene Töchter hatten, die sie verwöhnen konnten. Dasselbe machen wir mit Ramona und Sofia auch immer.«
»Stimmt«, bestätige ich. »Die beiden haben Sofia nach Strich und Faden verwöhnt, sosehr ich auch dagegen protestiert habe.«
Katie sieht Lily
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