Mit falschem Stolz
ging.«
»Ich hoffe, du hast ihm nicht gesagt, dass auch sie im Turm gefangen gehalten wird«, fauchte Lauryn.
»Ich bin doch nicht blöde«, fauchte er zurück.
»Benehmt euch, ihr beiden. Ganz gewiss wird sich Catrin freuen zu hören, dass Robert lebt. Aber auch das wird sie erst erfahren, wenn es für ihn und auch für sie sicher ist. Schweigt alle darüber, schwört ihr das?«
»Ja, Frau Alyss!«
»Klöff!«
»Mau!«
10. Kapitel
U nd wieder war Alyss eine unruhige Nacht beschieden. Doch diesmal nicht voll Sorge, sondern voller Wunder. Auf so viele Fragen, die die Vergangenheit ihr aufgeworfen hatte, fand sie jetzt Antworten. Johns Verhalten, das ihr oft seltsam vorgekommen war, ergab nun einen ganz neuen Sinn. Er und Robert hatten über sie gewacht.
Ein tiefes, warmes Glücksgefühl umfing sie, und mit einem Lächeln schlief sie schließlich ein.
Es wurde jedoch gleich nach dem Aufstehen überschatten. Leocadie kam mit der Nachricht zu ihr in die Kammer, dass es Lauryn entsetzlich schlecht ginge. Sie hatte die letzten Stunden über dem Nachtgeschirr verbracht und klagte über böse Leibschmerzen.
Alyss suchte sie sofort an ihrem Lager auf und fand das Mädchen blass, fiebrig und verschwitzt vor.
»Ich kann nicht aufstehen, Frau Alyss. Alles dreht sich mir. Und mein Bauch ist ganz durcheinander und tut weh.«
»Dann wirst du im Bett bleiben.« Alyss schalt sich unvorsichtig. Warum hatte sie sie nur zu Magister Jakob geschickt? Es war doch bekannt, dass die Ausdünstungen eines Kranken auch andere befallen konnten. Sie holte sich ins Gedächtnis, was Marian gesagt hatte, welche Maßnahmen er für den Notarius empfohlen hatte. Lüften, Reinlichkeit, Fleischbrühe und Traubensaft, hatte er gesagt. Und vielleicht wäre es auch ganz sinnvoll, Lauryn in ein anderes Zimmer zu bringen, damit ihre Krankheitsmiasmen nicht noch die anderen befielen.
Hilda half ihr, ein Lager in dem Kämmerchen über dem Stall zu richten, und Alyss untersagte dem Hauswesen, Lauryn aufzusuchen. Und sie untersagte Hilda auch auf das Strengste, sieben Kellerasseln in Milch zu kochen, um die der Kranken einzuflößen.
»Senken aber das Fieber«, grummelte die Haushälterin.
»Tun sie nicht, das ist einfach ekelig.«
»Medizin ist immer ekelig.«
»Das ist kein Garant, dass sie hilft. Keine Asseln, Hilda!«
»Aber dann wenigstens das Hemd umkehren.«
»Warum denn das?«
»Wenn man dabei spricht: ›Kehre dich um, Hemd, und du, Fieber, wende dich‹, dann vergeht die Hitze.«
»Meinethalben. Es wird Lauryn nicht schaden, ein frisch gewaschenes Hemd anzuziehen. Gleichgültig, wie herum.«
Nachdem die Gesunden und Kranken versorgt und die Pflichten verteilt waren, ging Alyss in den Weinkeller, um zwei Fässer auszusuchen, die Peer dann auf den Karren lud.
»Fahren wir zum Adler!«, befahl sie.
Im Gasthaus mit der Schmiede, das an der großen Straße stand, die Köln von Norden nach Süden durchquerte, war am Vormittag noch wenig Betrieb. Zwar hämmerte es eifrig in der Werkstatt, und ein halbes Dutzend schwerer Gäule wartete darauf, neue Schuhe angemessen zu bekommen, aber Gäste hielten sich noch nicht im Schankraum auf. Franziska, die Wirtin, fand Alyss in der Küche dahinter. Klein, doch zäh wie Leder, mit einem Mundwerk, das klappern konnte wie eine Mühle, zerlegte sie mit einem blitzenden Messer Teile eines großen Tieres, das noch nie einen Stall oder eine Weide gesehen hatte. Simon, ihr Mann, pflegte Beziehungen zu den Wilderern vor den Toren, was dazu führte, dass die Fleischsuppen, die in der Wirtschaft angeboten wurden, zwar kräftig und gehaltvoll waren, aber oft einen deutlichen Wildgeschmack zeigten. Es störte indes keinen der Gäste.
»Ich grüße Euch, Frau Wirtin!«
»Hach, die Frau Alyss. Welch eine Freude, kommt herein, beglückwünscht mich, ich bin zum achten Mal Großmutter geworden. Und ein strammes Kerlchen hat die Nys da geboren. Ganz mit den roten Haaren seines Vaters. Und rausgeflutscht ist er wie ein Kern aus einer reifen Pflaume.«
»Nun dann meinen Glückwunsch, Frau Franziska. Eure Familie wächst und gedeiht. Gut, dass ich ein Fässchen Roten und eines mit weißem Wein anzubieten habe, denn Ihr werdet doch sicher auf das neue Kind anstoßen wollen.«
»Am Sonntag, ja, wenn wir uns alle nach der Kirche versammeln. Kommt doch dazu, Ihr und die Euren.«
»Ich fürchte, wir sollten derzeit ein wenig Zurückhaltung walten lassen, Frau Franziska. Es ziemt sich nicht, gleich nachdem man Witwe
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