Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
geworden zu sein. Haben Sie jemals die definitive Ausgabe der Werke von Langland besorgt?«
»Natürlich nicht«, sagte sie beleidigt.
»Ich aber. Ich bin soeben damit fertig geworden. So etwas hat merkwürdige psychologische Folgen. Man beginnt sich zu fragen, ob man verrückt ist. Und das einzige Heilmittel dagegen ist die Beschäftigung mit etwas vollkommen anderem.«
»Unterm Strich kommt dabei heraus, dass Sie sich für Politik nicht ernstlich interessieren«, sagte die junge Frau unerwartet streng.
»Nun ja, nein, so würde ich das nicht sagen«, entgegnete Fen abwehrend. »Nach meiner Wahl stelle ich mir vor, …«
Aber sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, man wird Sie nicht wählen.«
»Warum nicht?«
»Dieser Sitz ist fest in konservativer Hand. Sie haben keine Chance.«
»Wir werden sehen.«
»Sie mögen den Ablauf ein wenig durcheinander bringen, aber letztendlich haben Sie keinen Einfluss auf das Endergebnis.«
»Wir werden sehen.«
»Wie es aussieht, können Sie sich glücklich schätzen, wenn Ihnen Ihre Kaution nicht flöten geht. Worauf genau basiert Ihre Kampagne?«
Fens Selbstvertrauen geriet ein wenig ins Wanken. »Ach, Wohlstand«, sagte er vage, »und Exporte und Freiheit und solche Dinge. Werden Sie für mich stimmen?«
»Ich bin nicht wahlberechtigt – zu jung. Außerdem mache ich Wahlkampf für die Konservativen.«
»Oh je«, sagte Fen.
Sie verfielen in Schweigen. Bäume und Gestrüpp tauchten für einen Augenblick schemenhaft aus der Dunkelheit auf und wurden dann wie von einer riesigen Hand wieder beiseite gewischt. Das Scheinwerferlicht fiel auf kleine Blumen, die im Heckendickicht schliefen, und die Luft jenes unvergleichlichen Sommers spülte in warmen Wellen durch die offenen Fenster herein. Kaninchen flohen Schutz suchend in ihre tiefen, sicheren Gänge, wobei ihre weißen Hinterteile fieberhaft auf und ab hüpften. Und nun fiel die Straße sanft ab; vor sich konnten sie zum ersten Mal die verstreuten Lichter des Dorfes erkennen …
Mit einem entschlossenen Tritt drückte die junge Frau die Bremse bis zum Anschlag durch. Der Wagen drehte sich um die eigene Achse und schleuderte sie in ihren Sitzen nach vorn, dann rutschte er ein Stück und kam schließlich ganz zum Stehen. Im gleißenden Scheinwerferlicht tauchte eine menschliche Gestalt auf.
Sie blinzelten, unfähig, ihren Augen zu trauen. Die Gestalt blinzelte zurück, allem Anschein nach nicht weniger verstört als sie. Dann warf sie ihre Arme in die Luft, gab ein bizarres, pfeifendes Geräusch von sich und stürzte auf die Dornenhecke am Straßenrand zu. Unter Schmerzen bahnte sie sich einen Weg durch eine kleine Öffnung und verschwand im nächsten Moment, aus einer Vielzahl von Kratzern blutend, aus ihrem Blickfeld.
Fen starrte hinterher. »Träume ich?«, fragte er.
»Nein, selbstverständlich nicht. Ich habe ihn auch gesehen.«
»Ein Mann – ein ziemlich großer, junger Mann?«
»Ja.«
»Mit einem Kneifer?«
»Ja.«
»Und vollkommen unbekleidet?«
»Ja.«
»Das erscheint mir ein wenig seltsam«, meinte Fen zurückhaltend.
Die junge Frau hatte jedoch nachgedacht, und ihre anfängliche Verwirrung war einer Erkenntnis gewichen. »Ich weiß, was das war«, sagte sie. »Das war ein entlaufener Irrer.«
Diese Erklärung erschien Fen zu abgedroschen, was er auch sagte.
»Nein, nein«, redete sie weiter, »der Punkt ist, dass es hier ganz in der Nähe tatsächlich eine Irrenanstalt gibt, Sanford Hall.«
»Andererseits könnte es jemand gewesen sein, der schwimmen war und dem seine Kleider gestohlen wurden.«
»Auf dieser Seite des Dorfes kann man nirgendwo baden. Nebenbei konnte ich erkennen, dass seine Haare trocken waren. Und sah er Ihrer Meinung nach nicht auch verrückt aus?«
»Doch«, gab Fen ohne Zögern zurück, »das tat er. Ich nehme an«, fügte er wenig begeistert hinzu, »dass ich jetzt eigentlich aussteigen und ihn verfolgen müsste.«
»Er wird mittlerweile über alle Berge sein. Nein, sobald wir im Dorf sind, werden wir es Sly melden, unserem Polizisten. Das ist alles, was wir tun können.«
Tief in Gedanken fuhren sie weiter bis nach Sanford Angelorum, und bald hatten sie das »Fish Inn« erreicht.
Kapitel 2
Vom architektonischen Standpunkt betrachtet machte das »Fish Inn« keinen sonderlich gewagten Eindruck.
Es handelte sich um einen ziemlich großen Würfel aus grauem Stein, durchbrochen von schmalen, symmetrisch angeordneten und recht gewöhnlich aussehenden Türen und
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