Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
einem C&A-Hund anbaggern zu lassen. Schnellen Schrittes laufe ich die Mönckebergstraße hinunter. Wie konnte all das nur so entsetzlich schieflaufen? Ich vermisse meinen Job. Und ich vermisse Simon. Und ehrlich gesagt, nicht in dieser Reihenfolge. Ein gut aussehender Mann im Anzug mit bereits leicht angegrauten Schläfen geht an mir vorbei und lächelt mich an. Schüchtern lächele ich zurück, woraufhin er ein bisschen in sich hineinkichert, aber wortlos an mir vorbeigeht. Oje, es wird so schwer werden, einen neuen Mann zu finden. Wahrscheinlich werde ich als alte Jungfer enden. Schon wieder kommt mir einer entgegen, diesmal in Jeans und Barbourjacke, und auch er grinst breit. Wow, so viele Blicke ziehe ich sonst nicht auf mich. Und dabei bin ich noch nicht einmal besonders schick in meiner legeren Jeans, dem dunkelgrünen Rolli und dem langen Wollmantel darüber. Na schön, vielleicht bekomme ich doch irgendwann noch einen Mann ab, denke ich hoffnungsvoll, als mich innerhalb der nächsten fünf Meter der dritte Typ anzwinkert. Aber ob jemals wieder einer so toll sein wird wie Simon? Nicht drüber nachdenken. Ich werde mich dort hinten ins Café Balzac setzen, eine Latte macchiato trinken und mir in Ruhe eine Strategie überlegen, wie ich Herrn Huber wieder von meinen Qualitäten überzeugen kann. In diesem Moment fällt mein Blick auf eine junge blonde Frau, die mir entgegenkommt, an jeder Hand einen ebenso blonden Sprössling mit rot gefrorener Nase und buntem Anorak. Das Mädchen hüpft wie ein Gummiball auf und ab, während der Junge in diesem Moment die Hand hebt und mit seinem Spielzeugroboter auf mich zeigt.
»Mami, schau mal«, johlt er, und ich zucke erschrocken zusammen, während seine Schwester nun auch ihren Blick auf mich heftet und in das Jubelgeschrei einfällt. Vergnügt reißt sie sich von ihrer Mutter los und stürmt auf mich zu.
»Wauwau«, ruft sie dabei, »wauwauwau.« Ich bleibe stocksteif stehen, während die Kleine wie ein wild gewordener Dackel auf mich zukommt. Sie wird sich doch wohl nicht in meiner Wade verbeißen? Ich werfe ihrer Mutter einen Hilfe suchenden Blick zu und bin gerade im Begriff, mich zur Seite zu werfen, als das Mädchen einen Haken schlägt und an mir vorbeiläuft – mitten in die Arme eines gelb-roten Hundes, der kaum eineinhalb Meter hinter mir auf dem Bordstein steht und das Kind jetzt im Kreis herumschwingt.
»Was zum Teufel«, fluche ich und bin mit einem einzigen Schritt bei ihm, als er die Kleine wieder abgesetzt hat und nun freigiebig Süßigkeiten an sie und ihren Bruder verteilt.
»Wie sagt man, Sophia? Bruno?«
»Danke schön«, singen die beiden im Chor und gehen Gummibärchen kauend und zufrieden ihrer Wege, während ich mich mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor dem Hund aufbaue. Das macht selbstverständlich wenig Eindruck auf ihn, schließlich ist er mit seiner Riesenbirne sicher zwei Meter dreißig hoch.
»Verfolgen Sie mich?«, wettere ich dennoch ziemlich unerschrocken, denn in diesem Moment wird mir klar, dass ich auf den letzten Metern nicht wegen meiner umwerfenden Ausstrahlung von drei verschiedenen Männern angelächelt, sondern wegen meines merkwürdigen Verfolgers ausgelacht wurde. Die Enttäuschung darüber schwappt in mir hoch und entlädt sich in einem Wutanfall. »Was fällt Ihnen ein, mich zu belästigen?«, tobe ich, »verschwinden Sie, na los.« Doch statt das Weite zu suchen, macht das Vieh einen Schritt auf mich zu und streckt schon wieder seine behaarte, verfilzte Flosse nach mir aus. Ehe ich mich versehe, hat er sie mir auf die Schulter gelegt.
»Hey, erkennst du mich denn nicht?«, ertönt es dumpf unter der Hundeschnauze.
»Lassen Sie mich los!«, rufe ich empört und schubse das Ungetüm mit beiden Händen von mir weg. Mit rudernden Armen trippelt er einige Schritte rückwärts, um das Gleichgewicht wiederzufinden, der riesige Hundekopf schwankt vor und zurück, bevor er Sekunden später mit einem Aufschrei zu Boden geht. Gleichzeitig ertönt ein erschrockener Ruf aus zwei Kinderkehlen.
»Mami, warum hat die Frau den lieben Hund gestoßen?«, fragt Sophia, die, mit Bruno an der Hand, im Laufschritt zum Ort des Unglücks zurückkehrt.
»Ist er kaputt?«, erkundigt sich ihr Bruder sensationslüstern und tritt dem am Boden Liegenden probeweise seinen kleinen, roten Gummistiefel in die Seite.
»Bruno, lass das«, ertönt es streng, während die Frau sich, nicht ohne mir einen strafenden Blick zugeworfen zu haben, über
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