Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
weiteren Schluck Kaffee und sagt:
»Ach ja, und manchmal arbeite ich für einen Begleitservice.«
»Wie bitte?« Mir rutscht der Kaffee in die Luftröhre, und ich ringe keuchend nach Luft.
»Das ist völlig harmlos, nichts mit Sex oder so. Meistens geht man einfach nur schön Essen und dann ins Konzert oder so. Manchmal auch auf irgendwelche geschäftlichen Veranstaltungen.«
»Aha«, sage ich wenig überzeugt, »und deine … äh, Kundschaft, was sind das für Frauen?«
»Ganz normale Frauen, oft auch viel jünger, als man glaubt. Karrierefrauen meist, die keine Zeit für eine Beziehung, aber auch keine Lust haben, überall alleine aufzutauchen«, meint er achselzuckend, und es durchfährt mich wie ein Stromschlag. Schließlich weiß ich ganz genau, wovon er spricht. »Kann einem schon echt Leid tun. Ihr Frauen habt es gar nicht so leicht heutzutage.« Ich nicke wie paralysiert. Nein, wir haben es nicht leicht. Ich habe es nicht leicht. »Wie ist denn das eigentlich bei dir? Mann, ich quatsche die ganze Zeit nur über mich, erzähl doch auch mal was. Du hast doch bestimmt eine steile Karriere hingelegt, oder?«
»Na ja«, druckse ich und knibbele an meiner Nagelhaut herum, »ich habe nach dem Diplom diverse Auslandspraktika gemacht und bin dann zu Wisenberg Consulting gegangen.«
»Wow, wirklich?« Mit kugelrunden Kinderaugen starrt Lutz mich an. Er wirkt richtig beeindruckt. »Ist das nicht eine der größten Unternehmensberatungen überhaupt? Das ist ja der Wahnsinn!« Er strahlt über das ganze Gesicht.
»Nun ja«, versuche ich zu relativieren, aber natürlich hat er Recht. Wisenberg Consulting ist tatsächlich eine der besten Unternehmensberatungen der Welt. Und es war der Wahnsinn, dass ich dort gleich nach der Uni einen Job ergattern konnte.
»Dass du es packen würdest, war mir von Anfang an klar. Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Du hast einfach den Biss«, schwärmt Lutz weiter, und ich rutsche verlegen auf meinem Stuhl hin und her. »Du brauchst gar nicht so verlegen zu schauen.«
»Ich überlege, ob ich kündige«, sage ich schnell, bevor die Lobhudelei überhand nimmt.
»Tatsächlich?«
»Ja. Weißt du, ich habe das jetzt über vier Jahre lang gemacht, und der Job ist echt’ne Knochenmühle. Vielleicht ist es Zeit für etwas Neues.«
»Na klar«, nickt er verstehend, »ich könnte auch nicht jahrelang dasselbe machen. Deshalb bin ich ja Schauspieler geworden, weißt du. Weil man immer neue Rollen spielen kann. Kein Tag ist wie der andere. Und was willst du machen?« Und da ist sie schon, die Gretchenfrage.
»Tjaaa«, mache ich gedehnt, »vielleicht mache ich mich selbstständig«, sage ich ins Blaue hinein und finde im selben Moment die Idee gar nicht mal so übel. Genau, mein eigener Chef sein. Keine chauvinistischen Vorgesetzten mehr, für die man sich erst halb zu Tode rackert und die einem dann sagen, dass man ja recht engagiert zu sein scheint – für eine Frau.
»Toll«, findet Lutz, »hast du schon eine Idee?« Hilflos starre ich in die Milchschaumpfütze auf dem Grund meines Kaffeebechers. »Oh, möchtest du noch einen?«, erkundigt er sich und steht schon halb auf.
»Warum nicht, danke«, gebe ich zurück und linse hinüber zum Kaffeetresen, vor dem sich, wie immer um diese Zeit, eine ziemlich lange Schlange gebildet hat. Ob sie jedoch lang genug ist, um einen Businessplan für mein eigenes Geschäft zu entwerfen, bis Lutz mit zwei Kaffee zurück ist, wage ich zu bezweifeln. Selbstbewusst läuft er da in seinem Hundekostüm, das seine schmalen Hüften und breiten Schultern so appetitlich zur Schau stellt, durch den Laden. Ich kann gerade noch verhindern, dass mir ein Spuckefaden das Kinn hinunterläuft, und rufe mich innerlich zur Ordnung. Was ist denn bloß los mit mir? Na schön, ganz so doof fand ich Lutz damals an der Uni nicht. Aber heute bin ich eine selbstbewusste Frau von einunddreißig Jahren. Dass meine Hormone bei seinem Anblick Samba tanzen, hat nur einen einzigen Grund, und das ist meine Unterbeschäftigung. Wie oft habe ich schließlich an Sex gedacht, als ich noch bei Wisenberg gearbeitet habe? Höchst selten. Und wenn, dann erst, wenn Simon mich auf die Idee gebracht hat. Simon. Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen, als ich an ihn denke. Ich vermisse ihn. Wie konnte er mich nur verlassen? Ich fühle mich so einsam und allein, dass ich kurz davor stehe, den C&A-Hund um eine gemeinsame Nacht anzubetteln.
»Du hattest doch damals diesen Freund,
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