Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
den Hund beugt. »Alles in Ordnung?«
»Ja doch«, ertönt es aus dem Fellschädel, und ich atme erleichtert auf. Ich hatte mich schon wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht sitzen sehen.
»Es geht schon, alles in Ordnung«, beteuert der Hund und rappelt sich mühsam in eine sitzende Stellung auf. »Du musst wirklich nicht weinen«, beschwichtigt er die aufgeregte Sophia, »möchtest du noch was Süßes?« Die Kinder werden also nochmals mit Süßigkeiten verarztet und werfen mir im Davongehen einen vernichtenden Blick zu. Obwohl ich das Ding auf dem Boden immer noch nicht recht leiden kann, nähere ich mich pflichtschuldig und strecke ihm meine Hand hin, um ihm aufzuhelfen.
»Tut mir Leid«, knirsche ich zwischen den Zähnen hindurch. »Sind Sie okay?« Er nickt mit seinem mächtigen Schädel und lacht:
»Mensch, Vivi, du bist ja immer noch so umwerfend wie früher.«
»Wie bitte?« Hat der mich eben Vivi genannt? »Kennen wir uns?«, erkundige ich mich und versuche, endlich einen klaren Blick auf das halb unter dem Kostüm verborgene Gesicht zu werfen.
»Das will ich meinen«, nickt er und kommt wieder auf die Füße. Mit beiden Händen fasst er sich an den Kopf und nimmt ihn ab. Darunter kommt ein überaus attraktiver Mann mit plattgedrückten, dunkelblonden Haaren, strahlend blauen Augen, einem geradezu klassisch-griechischen Profil und markantem Kinn zum Vorschein.
»Lutz Wichtel«, sage ich verblüfft und spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Wahrscheinlich bin ich rot wie eine Tomate.
»Wie er leibt und lebt. Hallo Vivi.« Damit stellt er seinen Hundekopf neben sich auf den Boden und reißt mich in seine Arme. »Mensch, haben wir uns lange nicht gesehen«, stellt er fest, während er mich ausgiebig knuddelt. Als mir die Luft knapp wird, stemme ich meine Arme erneut gegen Lutz Brust, um mich zu befreien. Ohne es zu wollen, erspüre ich mit den Handflächen das appetitliche Spiel seiner Muskeln. Anscheinend ist er noch immer genau so gut in Form wie vor elf Jahren, als wir gemeinsam an der Uni Hamburg begonnen haben, BWL zu studieren. Er war definitiv der bestaussehende Mann auf dem Campus, da waren sich alle einig. Aber bei mir hat er es nie versucht. Ich weiß noch, dass ich darüber schrecklich beleidigt war.
»Du siehst super aus«, meint Lutz, nachdem er mich auf Armeslänge von sich geschoben und einmal kurz von oben bis unten durchgescannt hat. Du liebe Güte, ich fühle mich richtig durchleuchtet von diesem Röntgenblick. Ob er sehen kann, dass mein BH nicht zur Unterhose passt? Blödsinn. Seine stahlblauen Augen blitzen vergnügt, sein Lächeln entblößt geradezu unnatürlich weiße Zähne. »Echt super«, bekräftigt er sein Kompliment noch mal.
»Wundert dich das?«, frage ich schnippisch und trete noch einen Schritt zurück.
»Überhaupt nicht, du warst immer schon sehr attraktiv«, gibt er ernst zurück. Ach ja, und warum hast du es dann damals an der Uni nicht probiert, würde ich ihn am liebsten fragen. Stattdessen lasse ich ein sehr cooles »Danke« aus meinem Mundwinkel tropfen.
»Nichts zu danken. Ich danke dir«, gibt er zurück und greift sich wieder seinen Hundekopf.
»Wofür denn?«
»Dafür, dass du so schön bist und meinen Tag erhellt hast.« Würg, was ist denn das für eine Schleimerei? Ich wusste es ja immer schon, der Typ ist einfach dämlich.
»Super Spruch«, sage ich vernichtend. »Also dann.«
»Das war kein Spruch«, beteuert er, aber ich wende mich schon zum Gehen, drehe mich aber dann noch mal um und recke ihm meinen erhobenen Zeigefinger unter die Nase.
»Untersteh dich, mir weiter zu folgen.«
»Wollen wir nicht einen Kaffee zusammen trinken? Ich wollte eh gerade Pause machen.«
»Kaffee?«, frage ich irritiert.
»Ja, da im Balzac. Hast du Lust?« Unschlüssig wiege ich den Kopf hin und her. Eigentlich nicht. »Komm schon, wir haben uns so lange nicht mehr gesehen. Es gibt bestimmt eine Menge zu erzählen«, drängelt er und beginnt ganz selbstverständlich neben mir her zu laufen, den Hundekopf unter den rechten Arm geklemmt.
»Nicht, dass wir früher besonders viel miteinander geredet hätten«, sage ich kopfschüttelnd.
»Ich weiß«, fällt er mir ins Wort, »fand ich immer total schade.« Na, sicher doch. »Ich dachte nur, dass du nichts mit mir zu tun haben wolltest, wo du doch so ein Überflieger warst.«
»Tatsächlich?« Ich kann mir ein geschmeicheltes Lächeln leider nicht verkneifen.
»BWL war ja nicht so mein Ding«,
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