Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Gentleman, zum Frühstück amerikanische Pancakes mit Ahornsirup serviert, bekomme ich immer etwas ab. Während Lutz und Lena sich im Wohnungsflur voneinander verabschieden, gehe ich ins Büro und lese mir noch einmal die Rund-E-Mail durch, die wir gleich auf den Weg schicken werden:
Wünschen Sie sich auch manchmal, dass Ihr Tag achtundvierzig Stunden hat? Wünschen Sie sich mehr Zeit für Ihre Beziehung, aber der Job nimmt Sie einfach zu sehr in Anspruch?
Wir helfen Ihnen!
In Zukunft können Sie einen glücklichen Partner, eine zufriedene Partnerin zu Hause haben. Kein enttäuschtes Gesicht, weil Sie schon wieder einen Jahrestag vergessen haben.
Wir nehmen Ihr Privatleben in die Hand und machen es besser. Damit Sie glücklicher sind!
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Mit herzlichen Grüßen und freundlichen Küssen,
Viviane Sonntag
Geschäftsführerin
Ludger Wichtel
Kreativer Berater
»Es wird nicht besser, indem du stundenlang draufstarrst«, sagt Lutz, der unbemerkt hinter mich getreten ist, und bevor ich es verhindern kann, greift er mir über die Schulter und klickt auf »Alle Nachrichten aus Postausgang senden«. Dann reicht er mir meinen noch halbvollen Becher Kaffee und setzt sich auf seinen Bürostuhl, die Füße auf dem Tisch.
»Entspann dich, solange es noch geht«, meint er gutgelaunt, »ich wette, spätestens morgen ist hier die Hölle los.«
Es vergehen genau siebenundvierzig Minuten, bis das Telefon das erste Mal klingelt. Ich atme tief durch und hebe ab:
»Amors Wichtel, mein Name ist Viviane Sonntag, hallo?«
»Mensch, Vivi, du bist es also wirklich«, erklingt eine mir bekannte Stimme vom anderen Ende der Leitung.
»Benjamin?«
»Natürlich. Was hast du dir da denn ausgedacht?«, fragt er gutgelaunt. »Ich dachte, ich sehe nicht richtig.« Ich mache Lutz ein Zeichen, dass es sich um einen privaten Anruf handelt, und er nickt verstehend und trollt sich in die Küche.
»Von dir habe ich ja ewig nichts gehört«, sage ich, während ich mich in meinem Bürosessel zurücklehne. Im selben Moment wird mir klar, dass ich genau genommen seit meinem Zusammenbruch in Hubers Büro nichts von Benjamin gehört habe. Auch wenn mir das bisher nicht aufgefallen ist, so bin ich jetzt doch gekränkt. Kein Anruf, keine SMS, keine E-Mail. Das war wirklich nicht sehr nett von ihm. Wenn wir vielleicht auch nicht die besten Freunde waren, so dachte ich doch, dass wir gerade in der letzten Zeit eine Art Verbundenheit zueinander aufgebaut hatten. Ich mit meiner Trennung und er mit seinen Eheproblemen. Na ja, da habe ich mich wohl getäuscht.
»Es tut mir so Leid, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe«, sagt Benjamin jetzt, »ich hatte bestimmt ein Dutzend Mal den Hörer in der Hand aber irgendwie wusste ich nicht so recht, was ich sagen sollte.«
»Ja, schon gut, das verstehe ich«, winke ich großmütig ab.
»Aber ich habe viel an dich gedacht«, beteuert er nun, »und ich war vollkommen schockiert, als Huber sagte, dass du gekündigt hast.«
»Nun ja …«
»Aber wie ich sehe, stehst du ja schon wieder ganz gut auf deinen Füßen«, meint er anerkennend. »Amors Wichtel. Wie bist du bloß auf diese Idee gekommen?«
»Na, das liegt doch nahe«, erkläre ich freudestrahlend und beginne, ihm die Entstehung des Konzepts zu erläutern.
»Alle Achtung«, lobt er, als ich geendet habe, »damit kannst du reich werden.«
»Ach, es geht mir nicht ums Geld, weißt du«, sage ich, »ich wollte einfach mal was anderes machen. Apropos, wie läuft es denn bei dir so? Was macht das Vereinsbank-Projekt?« Meine Stimme zittert ein wenig, als ich das frage. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich einen solchen Fehler gemacht habe. Und plötzlich habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, mich einfach sang- und klanglos aus dem Staub gemacht zu haben, während andere den Karren aus dem Dreck ziehen müssen.
»Na ja, wir kämpfen uns so durch«, kommt es vage zurück, und ich schlucke schwer. So etwas in der Art hatte ich befürchtet. Am liebsten würde ich das Thema damit beenden, aber mir brennt noch eine Frage unter den Nägeln:
»Und wer leitet das Projekt jetzt?« Die kurze Pause am anderen Ende der Leitung sagt mehr als tausend Worte.
»Äh, ich.«
»Aha.«
»Tut mir
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