Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Schrei reißt Lutz die Augen auf und starrt mich zunächst entsetzt und dann verständnislos an. »Was … ich meine, wieso, häää?« Verwirrt setzt er sich auf, und ich atme erleichtert ein. Luft! Lutz reibt sich derweil die Augen und greift dann wehleidig an seinen Mund, aus dem seine malträtierte Zunge ein wenig heraushängt.
»Aufstehen«, sage ich grinsend und krabbele aus dem Bett.
»Aber wieso …«
»Weil wir einen Notfallauftrag haben«, antworte ich, obwohl er das vermutlich gar nicht gemeint hat.
»Okay, ich bin gleich da«, er nickt und sieht noch immer irritiert von seinem Bett zu mir und wieder zurück.
»Ich bin dann drüben«, sage ich mit Unschuldsmiene.
»Vivi, bitte warte.«
»Ja?«
»Wie kommst du in mein Bett? Haben wir etwa …?«
»Das wüsstest du doch wohl noch, oder«, antworte ich empört. »Ich wollte dich wecken, da hast du dich wie ein Wahnsinniger auf mich gestürzt.«
»Ehrlich?« Ich nicke, und er schaut beschämt auf seine Zehen herunter. »Tut mir Leid. Ist wohl so eine Art Reflex.«
»Schon gut«, winke ich großmütig ab. So schlecht fand ichs nämlich gar nicht. Jetzt kommt endlich Leben in Lutz, und er steigt aus seinem Bett.
»Puh, für einen Moment dachte ich echt, wir hätten, na ja, du weißt schon.« Er lacht erleichtert. »Schwein gehabt, was?«
»Einer von uns jedenfalls«, sage ich bissig und rausche davon.
Zurück im Arbeitszimmer könnte ich mir selber in den Hintern beißen. Schlimm genug, dass mich Lutz völliges Desinteresse an mir als Bettgespielin beleidigt. Aber muss ich ihm das auch noch unter die Nase reiben? Schnell verdränge ich die unsägliche Begegnung und wende mich statt dessen lieber meiner Aufgabe zu. Lydia Walsenfels. Zunächst einmal rufe ich bei meiner Partnerfloristin Emily Flunkert an. In den letzten Wochen habe ich mehrere Blumenläden abgeklappert und mich schließlich für eine Zusammenarbeit mit Emily entschieden. Sie verkauft uns die Blumen zu einem sehr fairen Preis, während wir im Gegenzug exklusiv mit ihr zusammenarbeiten. So bestelle ich nun einen Strauß aus fünfunddreißig langstieligen Baccara-Rosen für Benjamins Frau bei ihr.
»Sehr gerne. Steht in einer halben Stunde zur Abholung bereit.«
»Vielen Dank!« Dann hole ich aus dem »Lager«, dem antiken Bauernschrank aus massiver Eiche im Wohnzimmer, eine herzförmige Schachtel Pralinen und eine Karte mit Rosenmotiv, mit denen ich mich bei der Metro eingedeckt habe. Ich nehme den Füller zur Hand und schreibe in Schönschrift einen Gruß an Lydia:
»Liebste Lydia, zu deinem Geburtstag wünsche ich dir alles Liebe! Danke, dass du auch in schweren Zeiten zu mir hältst, danke, dass du so viel Verständnis für mich hast! Ich liebe dich, dein Benjamin
So, das muss reichen. Um mir jetzt noch ein Gedicht aus den Rippen zu schneiden, fehlt mir wirklich die Zeit. Während ich die Tinte trocken puste, kommt Lutz endlich angeschlurft.
»Da bist du ja endlich«, sage ich, bemüht, meiner Stimme einen normalen Tonfall zu geben.
»Hier.« Er stellt mir einen Becher Milchkaffee vor die Nase, und meine Wut auf ihn schmilzt wie Butter in der Sonne. Kurz kläre ich Lutz über die Situation auf.
»Was für ein Depp«, ist sein Kommentar dazu, aber ich schüttele den Kopf.
»Depp hin oder her, wenn er nicht so blöd wäre, hätten wir jetzt keinen Auftrag. Und er hat so ein schlechtes Gewissen, dass wir es richtig krachen lassen können. Egal, was es kostet, hat er gesagt.« Wir grinsen uns vielsagend an. »Ich habe einen Strauß Rosen bei Emily bestellt. Würdest du ihn abholen und hiermit«, damit reiche ich ihm Karte und Pralinen, »an diese Adresse hier liefern.«
»Wird gemacht.«
»Und ich plane derweil das Geburtstagsdate ihres Lebens. Sag ihr bitte, dass sie um sieben Uhr bereit sein soll.« Damit wende ich mich wieder meinem Rechner zu. Hoffentlich klappt alles. Was ist, wenn ich so kurzfristig keine Limousine mehr bekomme? Keinen Geiger? Keine Reservierung in einem wirklich guten Restaurant? Angesichts der vielen Pannen, die passieren könnten, wird mir ein bisschen schlecht. In diesem Moment leuchtet Lutz’ Gesicht auf:
»Ich habe eine tolle Idee, was hältst du davon, wenn ich mit Lydia shoppen gehe? Sie soll sich ein tolles Abendkleid kaufen, als Geburtstagsgeschenk. Dann ist sie beschäftigt und nicht so traurig darüber, dass ihr blöder Gatte lieber arbeitet, als mit ihr den Tag zu verbringen. Und sie hat gleich was Schönes zum Anziehen für heute
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