Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
er sich jetzt auch schon zu sagen, »hören Sie, Sie bekommen sechs Monate lang weiter Ihr Gehalt, damit Sie sich in aller Ruhe etwas anderes suchen können.« Ich röchele in den Hörer. »Na gut, neun Monate.« Fassungslos sehe ich Lutz an, der schon die Arme in die Höhe reißt. Ich will gerade nach Luft schnappen, um »Einverstanden« zu brüllen, da kommt Huber mir, in etwa der gleichen Lautstärke, zuvor.
»Na schön, zwölf Monate dann eben. Das ist mein letztes Angebot.«
»Also gut«, sage ich gequält.
»Der Auflösungsvertrag des Arbeitsverhältnisses, in dem auch alle Formalitäten der Abfindung festgelegt sind, geht Ihnen in den nächsten Tagen zu.«
»Einverstanden. Aber ich muss Ihnen trotzdem noch sagen, wie tieftraurig ich darüber bin …«
TUT-TUT-TUT.
»Na so was. Wie unhöflich«, bemerke ich vergnügt und lasse den Hörer sinken, während Lutz die Siegesfaust zum Himmel reckt und mich stürmisch umarmt.
»Wow, das war super, Vivi! Du hast echt Talent«, schwärmt er und drückt mich an sich. »Vor allem dieser Lachkrampf mitten in der Heulattacke. Das war großes Kino, ganz großes Kino.«
»Danke«, lächele ich schwach. Ich kann es immer noch nicht fassen. Zwölf Monate volles Gehalt. Das hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Wir können in aller Ruhe unser Unternehmen aufbauen und werden dabei quasi von Wisenberg gesponsort. Na ja, genug Beziehungen hat diese Firma ja schließlich auf dem Gewissen. »Ich glaube, du bist der erste kreative Berater aller Zeiten, der sich nach nur einer Stunde Arbeit eine Gehaltserhöhung verdient hat«, sage ich zu Lutz, der mich überrascht ansieht.
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Wie wäre es, wenn es erst mal bei dem alten Gehalt bleibt und ich mir stattdessen etwas wünschen darf?« Misstrauisch sehe ich ihn an.
»Und das wäre?«, erkundige ich mich vorsichtig und habe schon wieder ein Bild von Lutz und mir im Kopf. Nackt, ineinander verschlungen. Bauchmuskeln, auf denen man Wäsche schrubben könnte.
»Na ja, ich habe mich gefragt, ob du den Raum nebenan überhaupt nutzt.«
»Du meinst Si … du meinst, das zweite Arbeitszimmer«, frage ich und schüttele den Kopf, um meine Sexfantasien zu vertreiben. Wie kann man nur so unprofessionell sein, schelte ich mich innerlich und schwöre mir hoch und heilig, Lutz ab jetzt nur noch als meinen Mitarbeiter zu sehen.
»Ja, genau.«
Damit geht Lutz vorneweg und in das ehemalige Arbeitszimmer meines Exfreundes, aus dem ich gestern ganz alleine den Sekretär herübergeschleppt habe. Darin stehen nur ein altes Regal und meine ehemalige Schlafcouch herum, die wir zum Gästebett umfunktioniert hatten, ansonsten ist das Zimmer leer. »Könnte ich hier vielleicht einziehen?«, erkundigt sich Lutz, während er ans Fenster tritt und den Ausblick auf die von Linden gesäumte Straße überprüft. Vollkommen perplex sehe ich ihn an.
»Wie bitte?«
»Na ja, ich muss aus meiner WG raus und habe noch nichts Neues gefunden. Wäre doch lustig.«
»Das denke ich ganz und gar nicht«, gebe ich sehr bestimmt zurück.
»Ach komm schon!« Er baut sich vor mir auf und lächelt mich mit schiefgelegtem Kopf an. Seine Zähne blitzen in der Sonne, die sich endlich einen Weg durch die Wolkendecke gebahnt hat. »Du kannst mir doch nicht erzählen, dass es Spaß macht, ganz alleine in dieser riesigen Wohnung zu wohnen. Fühlst du dich denn nicht einsam?«
»Doch.«
»Na also!« Sein Lächeln wird noch eine Spur breiter. Aber da freut er sich zu früh.
»Aber nicht so einsam«, versetze ich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Gleichzeitig wird mir bewusst, wie alleine ich mich wirklich hier fühle. Achtzig Quadratmeter können einen erschlagen. Es war natürlich viel schöner, als Simon noch hier war. Aber deshalb hole ich mir noch lange nicht diesen Chaoten ins Haus, der jetzt mit beiden Händen meine Oberarme fasst und mir tief in die Augen sieht:
»Vivi, ich glaube, es wäre wirklich gut für dich. Und für mich natürlich auch. Du wirst sehen, wir werden einen Heidenspaß zusammen haben. Und auf diese Weise komme ich auch immer pünktlich ins Büro«, argumentiert er, und ich muss lächeln. »Sag ja, wir versuchen es für ein paar Wochen, und wenn es nicht klappt, dann ziehe ich wieder aus. So einfach ist das. Deal?«
»Ich werde es mir überlegen«, lenke ich schließlich ein, damit die Nervensäge endlich Ruhe gibt.
»Versprochen?«, fragt er. Zögernd nehme ich die mir entgegengestreckte
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