Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
freundschaftlichen Schubs.
»Nun, ganz Hamburg nicht«, grinst er mich an, und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Doch ich schüttele lachend den Kopf:
»Vergiss es.«
»War doch nicht ernst gemeint.« Damit erhebt er sich und verlässt das Arbeitszimmer, während ich ihm konsterniert hinterhersehe. Nicht ernst gemeint, so so. Und warum nicht?
Als ich am nächsten Morgen um halb neun meinen Computer hochfahre, poppt als Erstes ein Fenster mit den Terminen des heutigen Tages auf.
»35. Geburtstag, Lydia Walsenfels.« Ich brauche einen Moment, um das zu verarbeiten. Ist mir gestern gar nicht aufgefallen, kein Wunder bei all den Daten, die ich in den Kalender übertragen habe. Auch wenn wir für den heutigen Tag eigentlich kaum verantwortlich sein können, rufe ich Benjamin gleich auf dem Handy an.
»Walsenfels«, meldet er sich. Seine Stimme klingt abgehetzt.
»Hier ist Vivi, hallo Benjamin«, begrüße ich ihn.
»Hallo«, kommt es kurz zurück, »kann ich dich zurückrufen?«
»Nicht nötig«, beeile ich mich zu sagen. Diesen Dauerstress am Freitagmorgen kenne ich, wenn vor dem Wochenende noch genug Arbeit für drei Werktage anliegt. »Ich wollte nur kurz anrufen wegen Lydias Geburtstag heute …« Ja, was wollte ich eigentlich? Bevor ich mir darüber klar werden kann, erklingt ein entsetztes:
»Wie meinst du das?«, aus dem Hörer.
»Na ja, Lydia hat doch heute …«
»Geburtstag???« Er klingt jetzt ernstlich schockiert. »Aber haben wir denn nicht den neunundzwanzigsten?«
»Nein, den dreißigsten«, erkläre ich ihm geduldig, und er gibt ein lang gezogenes Stöhnen von sich.
»Das kann doch nicht wahr sein.«
»Du hast es also vergessen«, stelle ich fest und versuche, meiner Stimme einen neutralen Klang zu verleihen. Hornochse, Riesenross, denke ich für mich und schiebe die Tatsache, dass es nicht viel besser ist, den Jahrestag oder Nikolaus zu vergessen, weit von mir.
»Total vergessen«, kommt es tonlos zurück.
»Hast du heute schon mit ihr gesprochen?«, erkundige ich mich, das Schlimmste befürchtend, und atme erleichtert aus, als er mit »Nein« antwortet.
»Alles klar, das kriegen wir hin.«
»Aber wie denn bloß?«, jammert Benjamin vor sich hin, »ich habe den ganzen Tag ein Meeting nach dem nächsten...«
»Kein Problem, dafür hast du ja jetzt uns«, beruhige ich ihn, obwohl mir innerlich der Allerwerteste auf Grundeis geht. Unser erster Auftrag, und dann gleich eine solche Feuerprobe. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. »Schaffst du wenigstens den Flieger um halb sechs?«, erkundige ich mich, und er bejaht.
»Gut, ich kümmere mich um alles Weitere und halte dich per E-Mail auf dem Laufenden über den Ablauf des Tages. Das Einzige, was du tun musst, ist, um Viertel nach sieben im besten Anzug, den du mithast, am Hamburger Flughafen aus dem Flieger zu steigen. Alles klar?«
»Aber was hast du denn …?«
»Lass das meine Sorge sein«, unterbreche ich ihn, »aber sprich nicht mit deiner Frau, hörst du?«
»Ja, gut«, antwortet er gehorsam. »Vivi, danke, du bist meine Rettung. Mach, was du willst, es ist mir egal, was es kostet, Hauptsache, Lydia ist nicht schon wieder enttäuscht von mir.«
»Das wird sie nicht sein. Dann bis später«, verabschiede ich mich von ihm und lege auf. Dann hämmere ich mit beiden Fäusten gegen die Verbindungswand zu Lutz’ Schlafzimmer. Das schaffe ich nicht alleine, ich brauche seine Unterstützung. »Lutz, wach auf«, brülle ich hinüber, und als er zehn Sekunden später immer noch nicht vor mir steht, springe ich auf und sprinte ohne anzuklopfen in sein Zimmer, wo er leise schnarchend auf dem Rücken in seinem Bett liegt.
»Lutz? Lutz!« Grunzend dreht er sich auf die Seite. Also lasse ich mich auf dem hölzernen Rahmen nieder und rüttele an seiner Schulter. Seine Haut ist glatt und warm. »Lutz, wach auf«, fordere ich ihn auf. Im selben Moment schlingt sich sein Arm um meinen Hals, und er zieht mich mit einer gekonnten Drehung ins Bett. Was ist denn jetzt kaputt? »He«, protestiere ich, als sich seine Lippen auf meine legen, während er sich auf mich rollt. Sein Gewicht presst mir die Luft aus den Lungen, und ich liege so ungünstig auf meinem eigenen Arm, dass ich nichts unternehmen kann. Als sich aber sein Mund öffnet und er mir die Zunge in den Hals schieben will, beschließe ich, dass er jetzt eindeutig zu weit geht. Und da ich mir nicht anders zu helfen weiß, beiße ich kräftig zu.
»Aaaaaah.« Mit einem lauten
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