Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
nebenan die Seele aus dem Leib stöhnen, flippe ich immer noch regelmäßig aus. Kann man es mir verdenken? Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie lange ich selber keinen Sex mehr gehabt habe. Ich finde, Lutz könnte darauf ruhig mal Rücksicht nehmen. Aber er zuckt die Achseln und sagt:
»Jeder hat seine eigene Methode, mit enttäuschter Liebe fertig zu werden. Das ist nun mal meine.«
»Ach so, du verarbeitest mit all diesen Frauen deinen Liebeskummer um eine Frau, die dich vor Ewigkeiten verlassen hat«, schnaube ich empört. »Das glaubst du doch wohl selber nicht.« Aber obwohl ich vor lauter Neugier platze, mehr über diese Geschichte zu erfahren, bekomme ich einfach nichts aus ihm heraus.
»Ich will nicht darüber reden«, sagt er verbissen und verschwindet in seinem Zimmer, um das nächste »Trostpflaster« zu vernaschen. Männer!
Nachdem die Webseite steht, die Visitenkarten und das Briefpapier gedruckt, ein Firmenkonto eröffnet, sämtliche Behördengänge erledigt und unser Angebotskatalog erstellt sind, geht es ans Marketing. Wie erreichen wir unsere Zielgruppe? Wie führen wir uns auf dem Markt ein? Zum ersten Mal seit meinem wenig ruhmreichen Abgang bei Wisenberg Consulting öffne ich im »Outlook Explorer« mein Adressbuch, in dem sich im Laufe der Jahre eine stattliche Anzahl von Kontakten angesammelt hat. Ich fasse sämtliche E-Mail-Adressen aus Hamburg und Umgebung in einem Ordner zusammen. Mit diesen werde ich beginnen. Wer weiß, wenn die Idee gut ankommt und das Geschäft blüht, kann man möglicherweise bundesweit arbeiten, Filialen eröffnen … Nun ja, zunächst mal beginne ich in einem kleineren Radius.
»Lutz, schläfst du denn immer noch? Lutz, wach auf«, rufe ich und hämmere wie wild an seine Tür. Es ist bereits halb elf, und wir hatten uns eigentlich für zehn Uhr in der Küche verabredet. Heute ist ein besonderer Tag, Donnerstag, der neunundzwanzigste Januar. Der endgültige Startschuss für »Amors Wichtel«. Heute wollen wir sozusagen den Pfeil abschießen, wenn man es denn so nennen will. Ich selber bin seit halb sieben knallwach und tigere seitdem in der Wohnung herum. Und was macht mein werter Mitarbeiter?
»Mensch Vivi, was machst du für einen Krach?« Mit diesen Worten öffnet Lutz, nur mit Boxershorts bekleidet, die Tür und räkelt sich ausgiebig. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, ihn ständig so zu sehen und verfalle schon lange nicht mehr in den gleichen Sabbermodus wie am Anfang.
»Ich will jetzt die E-Mails rausschicken und brauche deine seelische Unterstützung«, sage ich anklagend und linse an ihm vorbei in das Zimmer, das sich seit seinem Einzug vollkommen verändert hat. Die linke Wand hat er dunkelrot gestrichen, und sein riesiges, selbstgezimmertes Bett bildet das Zentrum des bis auf ein paar vollgestopfte Billy-Regale und Kleiderstangen leeren Raumes. Unter der schwarz bezogenen Bettdecke erkenne ich die Umrisse eines weiblichen Körpers, ein nackter Fuß mit rot lackierten Zehnnägeln hängt über den Rand des Bettes hinaus. Kopfschüttelnd sehe ich Lutz an, der sich verlegen am Kopf kratzt.
»Ist spät geworden«, nuschelt er. »Ich hüpfe schnell unter die Dusche, dann mache ich Kaffee, und in spätestens einer Stunde schicken wir das Ding auf die Reise, okay?«
»Na gut«, sage ich kurz, »aber beeil dich.«
»Ja okay.« Er will die Türe wieder schließen, aber ich halte ihn davon ab, indem ich sein Handgelenk packe.
»Wolltest du nicht ins Bad gehen?«
»Nur kurz guten Morgen sagen«, raunt er mit einem Blick auf die Frau, die jetzt verschlafen unter der Decke hervorlugt. Ihre blonden langen Haare sind ganz zerzaust.
»Nichts da, dein Guten-Morgen-Sagen kenne ich«, zische ich zurück, während ich seiner Gespielin zuwinke: »Hallo, ich bin Vivi.«
»Ich bin Lena«, antwortet sie.
»Tut mir Leid, wenn ich hier so reinplatze, aber Lutz und ich haben heute was Wichtiges vor.«
»Schon gut.« Mit einer geschickten Drehung entwindet sich Lutz meinem Griff und geht auf Lena zu. Völlig ungeniert gibt er ihr einen langen Kuss. Ich wende mich diskret ab und hüstele vernehmlich:
»Lutz?«
»Ja doch.« Widerwillig rappelt er sich auf und tapst gehorsam aus dem Zimmer. »In einer halben Stunde gibt es Frühstück«, verspricht er.
Tatsächlich sitzen wir fünfundzwanzig Minuten später einträchtig zusammen am Küchentresen. Das ist ein weiterer Vorteil meiner neuen Wohngemeinschaft. Wenn Lutz seiner jeweiligen Bettgenossin, ganz
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