Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Leid, Vivi.« Ich kralle mich an meiner Armlehne fest und atme einmal tief durch. Wie albern von mir, schelte ich mich dann innerlich. Ich habe mit dem Laden nichts mehr zu tun. Und wer jetzt meinen Job macht, kann mir eigentlich piepegal sein. Und dann doch lieber Benjamin, der mir immerhin zur Seite gestanden hat, als irgendein anderer. Oder nicht? Na eben.
»Mir nicht«, sage ich deshalb bestimmt, »ich freue mich für dich. Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke.« Er klingt richtig erleichtert.
»Und wie läuft es mit Lydia?«, erkundige ich mich, und er seufzt tief:
»Nicht besonders. Du weißt ja, wie wenig Zeit ich für sie habe.«
»Allerdings.« Ich lausche aufmerksam. Ist dieses Gespräch vielleicht nicht rein privater Natur?
»Also, ich, nun«, druckst er herum, und ich versuche, es ihm leicht zu machen: »Du möchtest uns beauftragen?«
»Ja«, stößt er sichtlich erleichtert hervor. »Das Premium-Paket, bitte.«
Als wäre durch diesen ersten Auftrag ein Knoten geplatzt, steht das Telefon nun nicht mehr still. Den ganzen Nachmittag beantworten Lutz und ich Fragen unserer angehenden Klienten. Glücklicherweise sind diese Gespräche stets kurz und knapp, denn schließlich ist der Zeitmangel unserer Kunden hinlänglich bekannt. Schon am ersten Tag ist unser Katalog über fünfzig Mal von unserer Internetseite runtergeladen worden, wir haben knapp vierzig Erstkontakte per Telefon gehabt, zwanzig E-Mails erhalten und immerhin sechs Aufträge entgegengenommen. Davon zweimal das Premium-Paket, drei Starter- und ein Standard-Pack. Weitere zwanzig potenzielle Klienten sind ernsthaft interessiert und haben sich unseren »Fragebogen zur Partnerschaft« zumailen lassen, auf dem wir kurz und knapp alle wichtigen Infos abfragen, die benötigt werden, um treffsicher die richtigen Dates und Geschenke für die jeweilige Person auszuwählen.
Genauer gesagt, für die jeweilige Frau. Unter den insgesamt sechzig Kontakten war nämlich nicht eine einzige weibliche Person.
FRAGEBOGEN ZU IHRER PARTNERSCHAFT
Das Ausfüllen des vorliegenden Fragebogens nimmt nur wenige Minuten in Anspruch und hilft uns dabei, die individuell beste Betreuung Ihrer Freundin/Lebensgefährtin/Ehefrau zu gewährleisten. Sollten Sie sich bei der Beantwortung einer oder mehrerer Fragen unsicher sein, vermerken Sie dies bitte, damit wir die entsprechende Information auf anderem Wege für Sie herausfinden können.
Name:
Kosename:
Geburtstag:
Hochzeitstag:
Kennenlerntag (wie und wo?):
Verlobungstag:
Sonstige wichtige Daten?:
Konfektionsgröße:
Lieblingsfarbe:
Lieblingsmusik:
Lieblingsblume:
Interessen (bitte ein oder mehrere Interessen anklicken):
Wir danken Ihnen für Ihre Mithilfe!
Herzlichst,
Ihr Amors-Wichtel-Team
»Ich verstehe das nicht«, sage ich kopfschüttelnd zu Lutz, während ich damit beschäftigt bin, auf dem Computer eine Kartei unserer zukünftigen Kunden anzulegen, »soll das etwa heißen, dass all die Karrierefrauen, die ich kenne, sich problemlos selber um ihre Beziehung kümmern können? Und dass ich die einzig Dumme war, die das nicht unter einen Hut gebracht hat?« Anscheinend mache ich ein so deprimiertes Gesicht, dass Lutz mit seinem Bürostuhl zu mir rüberrollt und mich fest in den Arm nimmt.
»Das heißt es ganz und gar nicht«, tröstet er mich und streichelt mir dabei das Köpfchen.
»Nein?«
»Nein. Vermutlich bedeutet das einfach nur, dass den meisten Frauen der Mann längst stiften gegangen ist. Und im Umkehrschluss heißt das nun wieder, dass Frauen sich die Vernachlässigung durch ihre überarbeiteten Männer einfach viel länger gefallen lassen. Für die meisten Managerinnen, die sich so weit hochgeackert haben, kommt vermutlich die Hilfe einfach ein bisschen zu spät.« Nachdenklich sehe ich ihn an. Vermutlich hat er Recht.
»Na ja, das war ja auch nur der Anfang heute. Es werden sich schon auch noch ein paar Frauen melden«, sage ich hoffnungsvoll und räkele mich ausgiebig, um meine verkrampfte Rückenmuskulatur zu dehnen.
»Ja, sicher«, stimmt Lutz wenig überzeugt zu. »Ist doch auch egal. Ich finde, wir sollten jetzt endlich Schluss machen.« Ich werfe einen Blick auf die Zeitanzeige meines Computer. Es ist tatsächlich schon halb zehn. »Komm, ich koche uns eine leckere Pasta, und dann trinken wir noch ein Glas Wein zusammen.«
»Hast du keine Verabredung heute?«, erkundige ich mich verwundert.
»Nö, heute nicht.«
»Hast wohl ganz Hamburg durch, was?«, necke ich und gebe ihm einen
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