Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Abend.«
»Brillant«, freue ich mich, während vor meinem inneren Auge Dollarzeichen erscheinen. Die Stunden, die Lutz mit ihr unterwegs ist, kann ich Benjamin in Rechnung stellen. Ganz abgesehen von den zwanzig Prozent, die wir als unseren Preis auf die Gesamtkosten aufschlagen. Was mehr als angemessen ist. Der Blumengruß, den Lutz gleich überbringen wird, kostet jetzt insgesamt knapp fünfzig Euro. Bei einem gängigen Blumenlieferanten aus dem Internet, bei dem Benjamin die Bestellung auch noch selbst hätte aufgeben müssen, hätte er über siebzig Euro dafür bezahlt. Na eben. Auf die Kosten des Abendkleides habe ich aber natürlich keinen Einfluss. »So gehst du aber nicht, oder?«, erkundige ich mich mit einem schiefen Blick auf Lutz’ Outfit, das wie fast immer aus einer gammeligen Jeans, T-Shirt und ausgeleierter Kapuzenjacke besteht.
»Natürlich nicht, ich konnte ja nicht ahnen, dass es gleich losgeht«, gibt er zurück und verschwindet, um keine fünfzehn Minuten später wieder aufzutauchen. »Na, was sagst du?«, fragt er stolz und dreht sich einmal um die eigene Achse. Was ich sage? Nun, ehrlich gesagt gar nichts mehr. Der Anblick dieses hochgewachsenen, breitschultrigen Mannsbilds im schwarzen Anzug, mit dunkelgrünem Hemd und gleichfarbiger Krawatte kann einem schon die Sprache verschlagen. Sein markantes Kinn ist glatt rasiert, die Haare sind akkurat, aber nicht schmierig aus dem Gesicht gekämmt.
»Wow«, bringe ich schließlich hervor.
»Den habe ich mir für Castings zugelegt«, erklärt er mir.
»Und warum haben die trotzdem Daniel Craig genommen?«, sage ich grinsend, und er lächelt geschmeichelt.
»Ach komm, jetzt übertreibst du aber.« Ich übertreibe kein bisschen, er sieht aus wie James Bond. Und genauso steht er auch zu Beziehungen, warnt mich eine innere Stimme.
»Immerhin habe ich mit diesem Baby den Debitel-Werbespot bekommen«, meint er und streichelt zufrieden über das Revers. »Hast du den vielleicht gesehen?« Bedauernd schüttele ich den Kopf. »Na ja, macht nichts.« Ich erhebe mich und schiebe den Spion mit der Lizenz zum Kopfverdrehen in Richtung Wohnungstür. Als er die Treppen hinuntersteigt, fällt mir noch etwas ein.
»Lutz?« Er wendet sich um. Seufz.
»Ja?«
»Finger weg von Lydia, ist das klar?«
»Natürlich. Was denkst du denn von mir?«
»Dass du dich selbst im Schlaf auf jede Frau stürzt, die nicht bei drei auf den Bäumen ist«, gebe ich zurück und schließe kopfschüttelnd die Tür.
Kapitel 11
In den folgenden Stunden weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht. Nachdem ich die ersten zehn Edelrestaurants auf meiner Liste abtelefoniert habe, wo man mir mit subtiler Arroganz klarmachte, dass ich wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte, verfluche ich Benjamin Walsenfels und seine blöde Frau, die dieses Jahr ausgerechnet auf einem Freitag Geburtstag haben muss. Nach weiteren zehn Anrufen verfluche ich mich selbst und überhaupt die ganze dumme Idee mit den Wichteln Amors. Einmal tief durchatmen! Okay, jetzt ist Kreativität gefragt. Zu dumm nur, dass mein kreativer Berater gerade durch irgendwelche Abendmodengeschäfte zieht und mich hier ganz alleine in dem Schlamassel sitzen lässt. Na gut, stellen wir das Problem des Essens mal hinten an und kümmern uns um die restliche Abendgestaltung. Als ich sämtliche Theater Hamburgs durchtelefoniere und man mir höchstens noch einen Platz in der letzten Reihe, Oberrang für die heutige Vorstellung von »Romeo und Julia« im Schauspielhaus anbieten kann, hebt das meine Laune kein bisschen. Auch sämtliche Limousinenunternehmen müssen mir bedauerlicherweise auf mehr oder minder höfliche Art mitteilen, dass ich wohl nicht ganz dicht sein kann, für heute Abend noch einen Wagen samt Fahrer mieten zu wollen. Na schön, dann muss eben Lutz heute Abend Chauffeur spielen, beschließe ich und rufe bei Sixt an, um, wenn schon keine Limousine, so doch wenigstens einen schnittigen Sportwagen zu mieten. Einen Jaguar? Aber gerne! Dann rufe ich Lydias Profil auf meinem Computer auf und studiere es eingehend. An der Uni haben die beiden sich kennengelernt. Genauso wie Simon und ich. Aber ganz langweilig in einer Vorlesung, nicht so romantisch wie wir. Seufz. Vor meinem inneren Auge erscheint ein verlockender Schokoladenmuffin, nach dem gleichzeitig zwei Hände greifen. Sie treffen sich, die Fingerspitzen berühren einander, es funkt, der Rest ist Geschichte. Konzentrier dich, was machen wir denn jetzt bloß mit Lydia
Weitere Kostenlose Bücher