Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
etwa?«, frage ich entsetzt, und Benjamin nickt. »Was hast du mit ihr gemacht, du Holzkopf?«, frage ich grob und er hebt abwehrend die Hände.
»Gar nichts.«
»Das ist vermutlich das Problem. Ich habe wirklich alles getan, um diesen Abend für Lydia schön und romantisch zu gestalten, und das, obwohl ich für die Planung nicht einmal zwölf Stunden Zeit hatte«, rege ich mich auf. »Und du sitzt einfach da und bist stumm wie ein Fisch. Kein Wunder, dass sie traurig ist.«
»Aber das ist es nicht …«
»Sondern?«, frage ich und kneife die Augen zusammen, um besser zu erkennen, was sich abspielt. Bilde ich es mir ein, oder ist durch diese dämlichen gefärbten Kontaktlinsen meine Sehschärfe eingeschränkt. »Schmeckt ihr das Sushi nicht? Ist der Wein gekippt?«, rate ich ins Blaue hinein. »Oder ist ihr kalt? Das täte mir echt Leid, aber es war weit und breit kein Restaurant zu finden, die mir so kurzfristig eine Reservierung …«
»Nein, nein, es ist schön warm unter den Heizpilzen«, beruhigt mich Benjamin.
»Aber was ist denn das Problem?«, frage ich verständnislos, und er macht ein wehleidiges Gesicht.
»Lydia denkt, dass ich eine Affäre habe.« Mit offenem Mund starre ich mein Gegenüber an.
»Wie kommt sie denn auf die Idee?«
»Na ja«, er zuckt verlegen die Achseln, »eine solche romantische Rundumbetreuung ist sie von mir nicht gewöhnt. Und jetzt denkt sie, ich hätte ein schlechtes Gewissen und würde sie betrügen.« Ich brauche einen Moment, um diese Information zu verarbeiten. Diese Möglichkeit habe ich nicht bedacht. Und jetzt?
»Was hast du ihr gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass ich dich wegen der Nachspeise etwas fragen will und bin hierher gekommen.«
»Und hast sie weinend da sitzen lassen?«, frage ich entsetzt, und er sieht sich verlegen nach seiner Frau um, die einsam und verlassen mitten auf dem Campus sitzt und um ihre Fassung ringt.
»Ich wusste nicht, was ich sagen sollte«, meint er hilflos.
»Du bist wirklich selten dämlich«, blaffe ich ihn an.
»Es tut mir Leid«, wimmert er verschreckt.
»Das solltest du lieber ihr sagen«, versetze ich heftig. »Du gehst jetzt sofort da rüber und versicherst deiner Frau, dass du nicht fremdgehst. Sag ihr, dass sie die einzige Frau ist, die du liebst und dass sie Recht damit hat, dass dieser Geburtstag Ausdruck für dein schlechtes Gewissen ist …«
»Hä?«
»Lass mich ausreden! Aber nicht, weil du eine Affäre mit einer anderen Frau hast, sondern mit deiner Arbeit. Sag ihr, dass es dir Leid tut, sie vernachlässigt zu haben. Sag ihr, dass du alles tun wirst, damit sie von jetzt an deine Liebe wieder spürt. Verstanden?«
»Ja«, antwortet er eingeschüchtert.
»Dann los«, ich gebe ihm einen kleinen Schubs. »Sei überzeugend. Ich bringe dann in fünf Minuten den Nachtisch.«
»Okay. Vivi …«
»Schon gut, du brauchst dich nicht zu bedanken«, winke ich großzügig ab. Der soll sich endlich in Bewegung setzen.
»Ich wollte nur sagen, dass deine Perücke verrutscht ist.«
»Ach so. Danke.« Meine eine Hand fliegt hinauf zu meinem Haarschopf, während die andere ihn ungeduldig wegwinkt. »Und hilf ihr gefälligst in den Mantel, wenn ihr wieder geht«, rufe ich ihm halblaut hinterher. Ich beobachte, wie Benjamin mit linkischen Bewegungen auf Lydia zugeht, die den Kopf hebt und schon wieder die Serviette zum Gesicht führt. Benjamin lässt sich ihr gegenüber nieder.
»Nimm ihre Hand, nimm ihre Hand«, flüstere ich und sende all meine Energie in seine Richtung. Und tatsächlich, als hätte er mich gehört, greift er über den Tisch herüber. Dann beginnt er, auf Lydia einzureden. Natürlich kann ich nicht verstehen, was er sagt, aber es scheint seine Wirkung jedenfalls nicht zu verfehlen. Soweit ich es aus dieser Entfernung beurteilen kann, hellt sich ihre Miene etwas auf. Na, Gott sei Dank. Als wolle er mir ein Zeichen geben, dass alles gut läuft, stimmt Paul jetzt eine etwas beschwingtere Melodie an. Die Kälte kriecht mir schon wieder unangenehm die Beine hoch, und ich verfalle in leichtes Joggen. Meine Gedanken rasen. So viel steht fest, so ausführlich unser Dienstleistungskatalog auch sein mag, damit ist es scheinbar nicht getan. Wer hat diese Männer eigentlich erzogen, die heutzutage zwar Geld ohne Ende scheffeln, aber nicht den blassesten Schimmer zu haben scheinen, wie eine Frau behandelt werden möchte? Vielleicht sollten wir zusätzlich Seminare anbieten, überlege ich, während ich im Rhythmus der
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